Ein neues Zuhause für die Österreichische Polarforschung in Ostgrönland wird Realität. Die Bauarbeiten auf dem Gelände der Forschungsstation Sermilik schreiten kontinuierlich voran. Was ist das Besondere an diesem Ort und wie haben die Forschungsarbeiten am Sermilik Fjord begonnen?
Nach einer mehrjährigen Planungsphase erhalten die österreichischen PolarforscherInnen mit dem Bau der neuen Forschungsstation bald eine ideale Forschungsinfrastruktur in Ostgrönland. Die Bauarbeiten für das neue Gebäude der Forschungsstation Sermilik schreiten zügig voran. Die Station wird von der Universität Graz in Zusammenarbeit mit der Universität Kopenhagen betrieben und baut auf jahrzehntelanger Erfahrung in der Polarforschung auf. Dies ist ein wichtiger Schritt für die österreichische Polarforschung.
Standort der Polarforschungsstation in Ostgrönland an der Westküste der Insel Ammassalik am Sermilikfjord. (© Google)
Sermilik - Ein Jahrhundert im Dienste der Forschung
Es mutet vielleicht seltsam an, dass österreichische PolarforscherInnen beschließen, mitten im Nirgendwo, 20 km von der nächsten (kleinen) Stadt entfernt, an der Ostküste Grönlands eine Forschungsstation zu errichten. Allerdings beginnt die Geschichte der Polarforschung in Sermilik bereits 1933, als die letzte Expedition unter der Leitung des berühmten dänischen Polarforschers Knud Rasmussen die ersten Beobachtungen und Messungen des nahe gelegenen Mittivakkat-Gletschers (damals Midtluagkat genannt) durchführte. Keld Milthers, ein Geologe, der an der Expedition teilnahm, zeichnete die Ablation (Schmelze) auf und fotografierte den Gletscher und seine Umgebung. Damit war der Grundstein für die nächsten fast 90 Jahre der Forschung in diesem Gebiet gelegt.
Mittivakkat-Gletscher, aufgenommen von Keld Milthers im Jahr 1933 (a) und von N. Jacup Korsgaard im Jahr 2010 (b).
Aufgrund dieser Arbeiten von 1933 wurde der Mittivakkat-Gletscher als einer von vier Studiengebieten für den dänischen Beitrag zum Internationalen Geophysikalischen Jahr (1957/1958) ausgewählt. Als Børge Fristrup und sein Team 1958, 25 Jahre nach Milthers, auf dem Mittivakkat-Gletscher ankamen, hatte sich die Gletscherstirn um 0,6 km zurückgezogen und die Eisoberfläche um mehr als 50 Meter abgesenkt (Fristrup, 1960). Seither hat sich der Gletscher weiter zurückgezogen und es ermöglicht, eine sich rasch verändernde proglaziale Landschaft zu untersuchen.
Interaktives 3D-Modell des Mittivakkat-Gletschers (Vergrößern und Verkleinern – Mausrad, Verschieben – linke Taste + Bewegen, Schwenken – rechte Taste + Bewegen) (© Iris Hansche – Eigene Arbeit mit Hilfe von QGIS und Qgis2threejs Plugin (Dank an Minoru Akagi). Basiskarte: OpenTopoMap; Gletscherumrisse: Mernild et al. 2011; DEM: ArcticDEM).
Die Errichtung der Forschungsstation Sermilik
Ein temporäres Zeltlager diente als logistische Basis während der Feldarbeit im Internationalen Geophysikalischen Jahr und in den darauffolgenden Jahren. Als die WissenschaftlerInnen der Universität Kopenhagen in den 1960er Jahren ihre wissenschaftliche Arbeit in Sermilik intensivierten, wurde deutlich, dass eine dauerhafte Basis für die Feldarbeiten benötigt wurde. Aus diesem Grund wurde 1970 die erste Sermilik Station gebaut. . Der Standort der Station wurde so gewählt, dass sie vor starken Stürmen, die vom grönländischen Inlandeis kamen, geschützt war. Doch während sie vor schweren Stürmen geschützt war, war sie anderen Naturgefahren ausgesetzt, die bei der Planung nicht bedacht worden waren: Im Frühjahr 1972 wurde die gerade errichtete Station durch eine Lawine vollständig zerstört. Glücklicherweise konnte zumindest die königliche Münze geborgen und Børge Fristrup geschenkt werden.
Die engagierten WissenschaftlerInnen ließen sich aber nicht unterkriegen und begannen mit der Planung einer neuen Station an einem etwas anderen Standort: Zwischen 1973 und 1974 wurden neue Gebäude errichtet, die seither zahlreichen WissenschaftlerInnen und StudentInnen als Basis dienen.

1975, Pause von den Feldarbeiten. (© B. Fristrup, Arktisk Institut)
Die Universität Graz in Ostgrönland
Im Jahr 2016 wurde die Idee geboren, eine Forschungsstation in Grönland für österreichische PolarforscherInnen zu errichten. Wie bereits in früheren APRI-Artikeln erwähnt (1, 2), machten die langjährigen Forschungsaktivitäten in diesem Gebiet und eine bestehende enge Zusammenarbeit zwischen den Universitäten Graz und Kopenhagen das Gebiet um Sermilik ideal für die österreichische Polarforschung. Nach einer langen Planungsphase und den Schwierigkeiten und Verzögerungen während der Covid-Pandemie wurde im Sommer 2022 mit dem Bau der Station begonnen, die nun winterfest und wetterfest ist. Ende September 2022 hat das Gebäude bereits seinen ersten Piteraq (starker Herbstwind, dessen überstanden. Dieser Piteraq wies Böen von mehr als 53 m/s (190 km/h) auf und führte zu zahlreichen beschädigten Dächern und Fenstern in Tasiilaq. Im Jahr 2023 werden die Bauarbeiten an der Station fortgeführt, wobei der innere Teil der Station und einige infrastrukturelle Arbeiten wie die Strom- und Wasserversorgung in Angriff genommen werden. Die neue Station ist groß genug, um 20 WissenschaftlerInnen und StudentInnen zu beherbergen. Zusammen mit den bestehenden Gebäuden werden bis zu 25 WissenschaftlerInnen ihre Forschung betreiben können. Beide Universitäten, Graz und Kopenhagen, können die alte und die neue Station gleichberechtigt nutzen.
Medieninformation
Verfasst von Kerstin Rasmussen, APRI-Medienteam.
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Über die wissenschaftliche Autorin
Kerstin Rasmussen, Universität Graz, Österreich