Durch den Nationalpark Kalkalpen mit den Climate-Walkern
Wie wir im Artikel über das Climate Walk Projekt berichtet haben, ist der große Climate Walk vom Nordkap bis an die portugiesische Atlantikküste Covid-bedingt auf 2022 verschoben worden und durch eine Art Testlauf „Geh’ma Austria“ heuer ersetzt worden. Ich hatte das Vergnügen den Climate Walkern auf einer der Teilstrecken des Österreich-Walks zu folgen. Das APRI unterstützt den Climate Walk, als Initiative junger WissenschaftlerInnen, die die anthropologischen und soziologischen Perspektiven des Klimawandels beleuchten möchten, was vor allem durch Gespräche mit den BewohnerInnen der Regionen entlang der über 12 000 km langen Route erfolgt.
Durchs Reichraminger Hintergebirge
Vom Hengstpass ins Herz des Nationalparks
Als wir gerade mit unseren unerwarteten Besuchern, die extra, um die Climate Walker kennen zu lernen gekommen waren, an dem großen Tisch des Biwakplatzes Weißwasser beisammen saßen, begann das Gewitter. Es war schon den ganzen Nachmittag lang erwartet worden, hat aber dann doch bis zum späten Nachmittag gedauert und die fast unerträgliche Schwüle beendet. Die Donner wurden durch das enge Tal massiv verstärkt und auf den Blitz folgte rasch der dröhnende Donnerschlag. Gleichzeitig rauschte das Weißwasser und schwoll innerhalb von dreißig Minuten so stark an, dass der trommelnde Regen, das Gewitter und der graue Bach die Umgebungsgeräusche dominierten. Wir zogen uns unter den Holzlagerunterstand zurück, kochten das Abendessen und genossen den Rotwein, den Luis und sein Freund als Geschenk an uns Wanderer mitgebracht hatten, während der Sturzregen den Zeltplatz 5 cm unter Wasser setzte. Wenn man sich der Natur aussetzt, was ein Ziel des Climate Walks ist, muss man mit solchen Ereignissen rechnen und entsprechend gewappnet sein. Unsere interessanten Besucher erzählten uns anschaulich und mit viel Humor von ihren Initiativen und Aktionen, das Reichraminger Hintergebirge vor industriellen Nutzungen wie Kanonentestplätzen der Voest oder einem Wasserkraftwerk zu bewahren.
Mit dem Ranger durch den Urwald
Aber das eigentliche Ziel der Durchquerung des Reichraminger Hintergebirges – des unglaublich schönen und entlegenen Teils des Nationalparks Kalkalpen zwischen Hengstpass und Reichraming – war die Führung mit dem Nationalpark-Ranger Hermann Jansesberger, die am 2. Tag stattfinden konnte. Das Wetter wurde milder, das trübe und wilde Weißwasser wurde nach der Regennacht wieder weißer und sein Wasserstand sank. Der Tag versprach sogar etwas Sonne und Wärme. Dipl.-Ing. Dr.in Sigrid Netherer von der Boku Wien stieß an diesem Tag mit ihrem Mann auch extra zu uns und erklärte uns gemeinsam mit Hermann den Einfluss des sich erwärmenden Klimas auf die Borkenkäferpopulation. Durch den Klimawandel hat sich die mittlere Jahrestemperatur in den österreichischen Alpen bereits um fast 2°C seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts erwärmt.
Der Lebenszyklus des Borkenkäfers
Auf die Fichte spezialisiert, lebt der Buchdrucker (Ips typographus) in einem natürlichen Verbund mit den Bäumen, die er an Schwachstellen der Rinde anzubohren versucht. Das gelingt ihm nicht leicht, da der Harzdruck den bohrenden Käfer sofort wegspült. Ist der Baum aber geschwächt, z.B. durch Trockenzeiten und Hitzeperioden, aber auch durch Krankheiten oder durch forstwirtschaftliche Schäden an den Bäumen, gelingt es männlichen Käfern in einem Massenangriff, ein Loch in den Bast zu bohren und dahinter eine Rammelkammer anzulegen. Die weiblichen Käfer werden durch Lockstoffe der Männchen durch einen sexuellen Paarungsritus zur Ablage der Eier in Nischen des Mutterganges im Bast animiert. Nach einigen Wochen schlüpfen daraus die Larven, die sich eigene Nebengänge fressen und sich über 5-6 Larvenstadien verpuppen, um danach in 5-6 Wochen zu fertigen Käfern zu werden. Durch die klimaerwärmungsbedingte Verlängerung der Brutzeit von April bis in den Oktober kommt es nicht nur zu Geschwisterbruten – die erwachsenen Weibchen legen ohne eine weitere Befruchtung eine zweite Welle von Eiern ab – sondern auch die Jungkäfer können sich bereits selbst wieder vermehren und bedingen damit in mehreren Generationen von Käfern eine exponentielle Vermehrung. Dadurch werden ganze Waldflächen befallen und sterben in Kürze ab, was einen massiven Schaden für die Waldbesitzer darstellt. Im Nationalpark wird nicht forstwirtschaftlich eingegriffen. Die Fichtenbestände vor der Schaffung des Nationalparks 1997 sind davon am meisten betroffen, nicht so sehr hingegen der seitdem aufkommende Mischwald mit natürlichen Buchen- und Tannenbeständen.
Am Rand des Nationalparks kommt es bei Befall zu Interessenskonflikten mit Waldbesitzern, deren Fichtenforste befallen werden könnten. Seit den 1970er-Jahren warnen die Forstwissenschaftler vor den möglichen negativen Auswirkungen der Fichtenmonokulturen in für die Fichte nicht geeigneten Regionen. Dies lässt sich in den letzten Jahren bereits verstärkt beobachten und hat massive Auswirkungen auf die Forstwirtschaft. Die Ergebnisse der Risikoanalyse der Boku aus den 2000er-Jahren bestätigen sich und sind eine Konsequenz einer unangepassten Forstwirtschaft. Befallene Flächen müssen dann rasch umgeschnitten und die Bäume entrindet werden, um die Bruten dadurch absterben zu lassen.

Hermann führte uns zu seinen entlegenen Lieblingsplätzen und das Kamerateam Julie Ladina und Markus Lerchbaum konnten großartiges Material und Interviews sammeln, um eines der wichtigsten Themen des Climate Walk einer breiteren Öffentlichkeit vermitteln zu können.
„Die Ergebnisse der Risikoanalyse der Boku aus den 2000er-Jahren zeigen die Konsequenzen einer unangepassten Forstwirtschaft.“
Sigrid Netherer

Die Climate Walker wandern weiter …
Medieninformation
Verfasst von Christoph Ruhsam, APRI Media Officer.
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Alle Fotos: © Christoph Ruhsam, www.pure-landscapes.net
Über den Climate Walk
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