Frauen machen 50,8 % der Weltbevölkerung aus, aber weniger als 30 % der Wissenschaftler*innen in der Welt sind Frauen [1]. Davon sind etwa 5 % Frauen of Color [2], und weniger als 1 % sind in geowissenschaftlichen Lehrstühlen [3] vertreten. Frauen veröffentlichen seltener, werden schlechter bezahlt und kommen in ihrer Laufbahn nicht so weit wie Männer [4]. Auch innerhalb der 'European Geosciences Union (EGU)' machen Frauen nur ein Drittel aller Mitglieder aus und sind nur zu 32 % in der Kryosphärenabteilung vertreten [5]. Die Kluft zwischen Frauen in der Bevölkerung und Frauen in MINT-Fächern muss überwunden werden.
Die Polarregionen verändern sich in einem erstaunlichen Tempo und sind daher für die Wissenschaft von entscheidender Bedeutung. Qualitativ hochwertige Forschung und damit verbundene Feldarbeit in diesen abgelegenen und schwierigen Umgebungen ist für das Verständnis dieser Veränderungen essentiell. Im Laufe der Geschichte wurden diese Daten meist von männlichen Forschenden gesammelt. Frauen begannen erst in den 1960er Jahren, in der Antarktis zu arbeiten, und durften erst 1990 überwintern! Es besteht also die Notwendigkeit, die heutige Feldarbeit auf einen Standard zu bringen, der Personen aller Geschlechter einschließt und unterstützt. Auf einem Kontinent, auf dem es Monate dauert, neue Geräte zu installieren, scheint die Einführung neuer Standards für die Gleichstellung der Geschlechter noch länger zu dauern. Um dies zu untersuchen, hat ein Team von Polarforscherinnen, Frauen befragt, die den extremen Bedingungen in den Polargebieten getrotzt haben, um ihre Geschichten und Erfahrungen zu teilen. Die Studie kann hier gelesen werden.
Marjolein Gevers installiert eine Wetterstation auf Nordernskioldbreen, Svalbard. Credits: Amelie Roche.
Warum haben wir dieses Projekt gestartet?
Feldarbeit haben wir schnell ins Herz geschlossen – nicht nur als willkommene Abwechslung zu unserer gewohnten Routine im Labor oder am Computer, sondern vor allem, weil sie uns eine tiefere Verbindung zu unserer Forschung ermöglicht hat. Pflanzen, Gletscher, Flüsse, Berge, Landschaftsformen, Felsen und Tieren selbst erleben zu können, schenkte uns ein besseres Verständnis und eine engere Beziehung zu unserer Arbeit.
Während der Feldarbeit lernten wir nicht nur durch unsere eigenen Erlebnisse, sondern auch durch das Unterrichten von Studierenden im Feld. Diese praktischen Erfahrungen haben unsere Leidenschaft für ein umfassenderes Verständnis unserer wissenschaftlichen Disziplinen geweckt und gestärkt. Sie haben uns die Motivation gegeben, die Herausforderungen der Forschung mit Begeisterung anzugehen.
Ymke Lathouwers Am Ende eines Drohnenflugs zur Kartierung von Synndalen, Svalbard. Credits: Florina Roana Schalamon.
Aber so einfach ist das nicht...
Wenn dies die ganze Geschichte wäre, wäre dieser Text fertig und die Feldarbeit in den Polarregionen wäre eine idyllische Welt für alle. Leider mussten wir jedoch im Laufe unserer Karriere feststellen, dass die Erfahrungen bei der Feldarbeit unter (weiblichen) Forschenden sehr unterschiedlich sein können.
Wir versuchten zwar, unsere Erkenntnisse aus der Feldarbeit auf unsere künftigen Reisen anzuwenden und sie mit Studierenden zu teilen, doch blieben diese Lektionen oft auf unsere eigenen wissenschaftlichen Netzwerke beschränkt. Um diese geschlechtsspezifischen Ungleichheiten zu beseitigen, ist es entscheidend, diese Erfahrungen breiter zu kommunizieren und darauf hinzuarbeiten, dass die Feldarbeit für alle zugänglicher wird.
Wir haben eine Umfrage zu den Erfahrungen von Frauen bei der Feldarbeit durchgeführt. Die Umfrage umfasste demografische Daten, Merkmale der Feldarbeit und persönliche Erfahrungen. Ziel war es, die besonderen Herausforderungen zu beleuchten, mit denen Frauen konfrontiert sind, und Wege zu finden, um die Chancengleichheit in der Praxis und Planung der Feldarbeit zu erhöhen. Die Online-Umfrage wurde von 324 Teilnehmerinnen ausgefüllt und zeigte sowohl die Vielfalt als auch die Gemeinsamkeiten ihrer Erfahrungen auf.
Wetterstation in Svalbard. Credits: Florina Roana Schalamon.
Was haben wir also herausgefunden?
Unsere Umfrage ergab, dass vier von fünf Frauen schlechte Erfahrungen bei Feldarbeit in Polarregionen gemacht haben – eine schockierende und inakzeptable Zahl. Die Gründe dafür waren vielfältig.
- Schlechte Dynamik im Feldteam.
Die Dynamik innerhalb eines Feldteams und die Leitung waren entscheidend für die Erfahrungen bei der Feldarbeit. Positive Erfahrungen waren eng mit einer effektiven Kommunikation und einer integrativen Leitung verbunden, die es allen Teilnehmenden ermöglichte, Ideen einzubringen und sich geschätzt zu fühlen. Dies steht auch in engem Zusammenhang mit der Wertschätzung aller Aufgaben, die für den Erfolg einer Expedition erforderlich sind. So wird beispielsweise die Aufgabe des Kochens oft fälschlicherweise als unbedeutend und weniger wichtig angesehen. Es ist jedoch von grundlegender Bedeutung gutes Essen zu haben, um die Moral während einer langen Expedition hochzuhalten. - Sexismus und Belästigung.
Leider ergab unsere Umfrage, dass Erfahrungen mit Sexismus, Belästigung und Ausgrenzung oft auf eine schlechte Teamdynamik zurückzuführen sind. Die Teammitglieder kennen sich oft nicht gut, und es gibt leider immer noch strenge Hierarchien und stereotype Geschlechterrollen. Feldarbeit ist von Natur aus eine Herausforderung, aber sie kann bei einer schlechten Teamdynamik unerträglich werden. Zu den weiteren Problemen gehörten, dass einem nicht zugehört wird oder man nicht ernst genommen wird, wenn man Sicherheitsfragen ansprach oder wissenschaftliche Themen diskutierte, dass man mit schwierigen Teammitgliedern zu tun hatte und miterleben musste, wie andere nichts gegen problematisches Verhalten sagten.
Eine Mitautorin berichtete von einem Fall, in dem ein männlicher Kollege ihre wissenschaftlichen Geräte wegnahm und sagte: „Das ist keine Frauenarbeit, das ist für Männer“, und sie dann aufforderte, leichtere Aufgaben zu übernehmen.
„Unsere Umfrage ergab, dass vier von fünf Frauen schlechte Erfahrungen bei Feldarbeit in Polarregionen gemacht haben – eine schockierende und inakzeptable Zahl.“
Camp für Feldarbeit in der Arktis. Credits: Florina Roana Schalamon.
- Schlechte Vorbereitung
Obwohl sich viele Teilnehmende der Umfrage angemessen auf die Feldarbeit vorbereitet fühlten, gab es dabei große Lücken, insbesondere bei den persönlichen Bedürfnissen und der Hygiene. Erfahrene Outdoor-Enthusiasten haben herausgefunden, was ihnen im Feld gut tut, seien es acht Stunden Schlaf, ein zusätzliches Kissen, ein bestimmter Snack (getrocknete Mangos sind sehr zu empfehlen) oder die perfekten Socken, um Blasen zu vermeiden. Doch nicht jede*r hatte die Gelegenheit, herauszufinden, was während der harten Tage in der Natur oder auf einem Forschungsschiff hilft, um bei Laune zu bleiben.
Florina, eine der Mitautorinnen, war vor ihrer ersten langen Feldkampagne beim Zelten auf Spitzbergen nervös, weil sie wusste, dass sie zu dieser Zeit ihre Periode bekommen würde: „Ich beriet mich mit all meinen Freundinnen darüber, wie ich im Eisbärengebiet – wo es keine Bäume oder Büsche gibt, hinter denen ich mich verstecken könnte – damit umgehen sollte, während ich meinen Tampon wechselte. Dank ihrer Ratschläge und eines unterstützenden Teams war ich vorbereitet und weniger gestresst, sodass ich mich auf die eigentlichen Aufgaben der Feldarbeit konzentrieren konnte!“ Die Schaffung eines offeneren Umfelds, in dem die Teammitglieder ihre persönlichen Bedürfnisse frei äußern können, fördert auch offene Kommunikation und damit ein stärkeres Team. - Fehlende Nachbesprechungen der Feldarbeit
Auch die Kommunikation nach der Feldarbeit wirkte sich auf die Erfahrungen der Frauen aus. Ein überraschend geringer Anteil der Befragten hatte mit Nachbesprechungen zu tun: weniger als 50 %. Ohne Nachbesprechungen gibt es jedoch keine formelle Möglichkeit, sicherzustellen, dass Probleme bei der Feldarbeit für die nächste Reise korrigiert werden.
Marjolein, eine der Mitautorinnen, sagte nach der Leitung einer ihrer mehrwöchigen PhD-Feldforschungskampagnen in der Arktis: „Wir hatten tägliche Nachbesprechungen während des Abendessens, bei denen jedes Teammitglied die Möglichkeit hatte, sowohl etwas Positives als auch etwas Negatives vom Tag zu nennen. Dadurch wurde sichergestellt, dass kleine Probleme schnell gelöst wurden, bevor sie zu ernsthaften Problemen wurden, aber auch, um über Dinge zu sprechen, die uns während des Tages gefallen haben.“

Anna Sartell bei Feldarbeit auf einem Gletscher. Credits: Marjolein Gevers
Wo stehen wir jetzt?
Um diese Hindernisse für die Teilnahme an der Feldarbeit zu beseitigen, müssen wir einen proaktiven Ansatz verfolgen und die Ursachen angehen. Wir brauchen institutionelle Veränderungen wie die Erhöhung der Anzahl von Frauen in Führungspositionen und die Einführung umfassender Verhaltensrichtlinien. In diesem Zusammenhang sind obligatorische Schulungen und solide Meldemechanismen für Belästigung und Fehlverhalten unerlässlich, um ein sichereres Umfeld für die Feldarbeit zu schaffen. Auch die Teamleitung kann eine wichtige Rolle spielen, indem sie die Vorbereitung und Kommunikation vor der Feldarbeit verbessern, klare Erwartungen an die Arbeit stellen und nicht-wissenschaftliche Details wie Essen, Schlafmöglichkeiten und persönliche Bedürfnisse besprechen. Die Leitung sollten auch das geistige und körperliche Wohlbefinden in den Vordergrund stellen, für ausreichende Ruhezeiten sorgen und eine positive Teamdynamik fördern. Die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung in die Planung und Durchführung kann auch die Sicherheit und das kulturelle Verständnis erhöhen und die Feldarbeit für alle Beteiligten integrativer machen.
Wir hoffen, dass wir durch die Umsetzung der von uns beschriebenen Strategien ein Umfeld für die Feldarbeit schaffen können, in dem sich jede*r sicher und respektiert fühlt und in der Lage ist, bestmögliche Arbeit zu leisten. Wir können ein gerechteres Umfeld für die Feldarbeit schaffen, das nicht nur Frauen, sondern allen Forschenden zugutekommt und so die Ziele der Geschlechtergerechtigkeit in der Polarforschung und darüber hinaus vorantreibt.
Quellen
Medieninformation
Orginal verfasst von Florina Roana Schalamon, Maria Dance und Marjolein Gevers.
Aus dem Englischen übersetzt von Jonathan Fipper und Florina Roana Schalamon.
Layout und Satz durch das APRI-Medien Team.
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Über die wissenschaftlichen Autorinnen
Florina ist Doktorandin an der Universität Graz und erforscht die klimatischen Einflüsse auf die Gletscherveränderungen in Grönland, Maria arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Scott Polar Institute und Marjolein beschäftigt sich als Doktorandin an der Universität Lausanne mit dem Sedimenttransport des grönländischen Eisschildes.