Gletscher Monitoring in Nordost-Grönland im Frühjahr 2022 durchgeführt von Signe H. Larsen und Bernhard Hynek (Copyright: Bernhard Hynek).
In Nordost-Grönland in der der Nähe der Forschungsstation Zackenberg (74 Grad Nord) betreibt die ZAMG in Kooperation mit der Universität Graz und GEUS (Dänemark) seit dem Jahr 2007/2008 ein Gletschermonitoring. In jährlichen Abständen wird die Massenentwicklung des Freya Gletschers von der ZAMG und der A.P. Olsen Eiskappe von GEUS gemessen. Um Kosten zu sparen, finden die Messungen auf den beiden Gletschern oft in Kooperation statt, eine Person von der ZAMG und eine Person von GEUS führen gemeinsam die Messungen an beiden Gletschern durch. Der ideale Zeitpunkt für die Messungen ist Ende April, wenn die Schneeschmelze noch nicht eingesetzt hat, und die Tage schon lang sind. Bei diesen Bedingungen erreicht man die beiden Gletscher nach ca. 20 min bzw. einer Stunde Fahrt mit dem Schneemobil, man kann schwere Geräte wie Georadar oder Wetterstationen mit dem Schlitten transportieren und muss nicht im Zelt übernachten, sondern kann jeden Tag zur sehr angenehm ausgestatteten Forschungsstation Zackenberg zurückkehren.
Die Standorte des Freya-Gletschers, des A.P Olsen Ice Cap und der Forschungsstation Zackenberg (von Google).
Durch die pandemiebedingten Reisebeschränkungen konnten die Gletscher 2020 nicht besucht werden und auch im Frühjahr 2021 war es noch nicht möglich. Gegen Ende Juni wurde plötzlich entschieden, dass die Forschungsstation öffnen kann und so war es doch möglich, die Gletscher zumindest im Sommer zu besuchen und die wichtigsten Wartungsarbeiten an den Messgeräten vorzunehmen und Messungen durchzuführen. Im Sommer heisst es anstelle der Schneemobile die Strecken in anstregenden Fußmärschen zurückzulegen.
Auf zur Forschungsstation Zackenberg
Wir (Bernhard Hynek, ZAMG und Daniel Binder, GEUS) konnten also am 14. Juli 2021 Richtung Forschungsstation Zackenberg aufbrechen. Weil jedoch beim Anflug auf Zackenberg der Nebel zu dicht war, konnte die Twin Otter nicht landen und wir landeten stattdessen auf dem Militärflugplatz Mestersvig. Nach zwei Tagen Wartezeit konnten wir endlich Richtung Zackenberg aufbrechen und landeten bei herrlichem Sommerwetter.
Die zwei Tage Eingewöhnung an der Station verbrachten wir mit den obligaten Sicherheitstrainings und dem Packen unserer Ausrüstung für den langen Marsch zum ersten Gletscher, der A.P. Olsen Eiskappe, wo wir zwei Wetterstationen warten und evtl. noch vorhandene Ablationspegel ablesen wollten.
„Der Gletscher ist ca. 40km von der Station entfernt, das entspricht einem zweitägigen Fußmarsch mit einem 25kg schweren Rucksack, bestehend aus Camping-Ausrüstung, Jagdgewehr und Messgeräten.“
Bernhard Hynek
Auf dem Weg dorthin konnten wir in einer neu renovierten Jagdhütte aus den 1940-er Jahren, einem 2×2 Meter großen Holzverschlag, übernachten (Antonsens Hut). Die weiteren Nächte verbrachten wir im Zelt. Damit wir uns vor Eisbären schützen können, haben wir immer ein Jagdgewehr und eine Signalpistole dabei und spannen um das Zelt eine Schnur, die an Signalkörper angeschlossen ist.
Die Arbeit am Gletscher dauerte nur einen Tag. Eine der beiden Wetterstationen wurde vermutlich von einem Eisbären umgeschmissen. Die spielen gerne mit dem Propeller des Windsensors. Wir warteten die beiden Wetterstationen, luden Daten von einer automatischen Kamera herunter und fanden noch zwei Pegel im Eis vor, die anderen waren bereits ausgeschmolzen. Also konnten wir zumindest zwei Messwerte über das Ausmaß der Eisschmelze seit 2018 ermitteln. Nach dem zweitägigen Marsch zurück zur Station verbrachten wir dort zwei Tage, um uns auszuruhen und unsere Sachen für den nächsten Trip zu packen.
Freya Glacier
Dann ging es in Richtung Freya Gletscher. Dazu wurden wir von Kollegen mit dem Boot über den Tirolerfjord zur Clavering Insel gebracht, wo wir eine Woche campierten. Wir bauten unser Basecamp relativ nahe am Ufer auf, an einer Stelle, wo wir immer campen, wenn wir im Sommer dort sind. Am nächsten Tag gingen wir über steile Moränenhänge ca. 2 Stunden bis zum Beginn des Gletschers. Wir fanden fast alle unserer 2016 eingebohrten Ablationspegel und verlängerten sie, sodass sie im nächsten Winter aus dem Schnee ragen und gefunden werden können. Die Abschmelzbeträge seit 2017 betragen bis zu -4.5 Metern, allerdings dort wo im Winter 2018 große Lawinen aus den Seitentälern für überdurchschnittlich viel Akkumulation gesorgt haben, waren die Abschmelzbeträge sehr gering (um 0 Meter). Wir fanden unsere Wetterstation in gutem Zustand vor, obwohl die Stangen an denen die kontinuierliche Ablationsmesssensoren befestigt waren, umgefallen waren. Wir konnten das Stangengestell wieder aufbauen und auch die Daten herunterladen. In dem Fall war es doch gut im Sommer hier zu sein, da die liegenden Stangen im Frühjahr mit ca. 2 Meter Schnee bedeckt gewesen wären. Eine harte, langwierige Arbeit, diese auszuschaufeln! Im Anschluss an die Arbeit bei der Wetterstation bauten wir in der Nähe der Station unser zweites Zelt auf, da wir planten, die nächsten Nächte hier zu verbringen, um nicht jeden Tag die drei Stunden rauf und runter gehen zu müssen. An diesem Abend mussten wir aber wieder zu unserem Basecamp, weil wir für die Vermessung des Gletschers die Drohne und die GPS-Geräte holen mussten. Irgendwann gegen Mitternacht kamen wir ziemlich müde beim Basecamp an und konnten noch ein Abendessen in der Mitternachtssonne genießen.
Am nächsten Tag stiegen wir wieder auf und besuchten den oberen Teil des Gletschers. Wir lasen die restlichen Ablationspegel ab und maßen Punkte an der Gletscheroberfläche ein, die wir mit einem Kreidespray markierten, damit wir sie später auf den Drohnenfotos genau verorten können. Im oberen Bereich des Gletschers ist der Schnee an vielen Stellen wassergesättigt, trotz der hohen Bergschuhe und der Gamaschen blieben unsere Füße nicht trocken. Wir verbrachten die Nacht im Zelt am Gletscher, zwischen uns wie üblich das Gewehr, für den unwahrscheinlichen Fall, dass in der Nacht ein Eisbär vorbeikäme. Am nächsten Tag flog ich (Bernhard) mit der Drohne den Gletscher ab, leider reichten die 12 Akkus nur für ca. 80 Prozent der Gletscherfläche, und so konnten wir die Messung an dem Tag nicht abschließen. Wir mussten also nochmals runter zum Basecamp, um mit dem mitgebrachten Generator die Akkus wieder aufzuladen. Noch am selben Abend luden wir die Batterien auf, was aber leider nicht lange klappte.
„Zu unserem Schreck ging der Generator nach 10 Minuten Laufzeit plötzlich aus. Die erste Vermutung, die sich später bestätigen sollte: Ein Motorschaden weil jemand den falschen Treibstoff eingefüllt hatte.“
Bernhard Hynek
Wir lagen sehr deprimiert in unseren Schlafsäcken, weil es uns als äusserst unwahrscheinlich erschien, dass die norwegischen Kollegen die für ihre Walross-Dokumentation das einzig verfügbare Boot nutzten, die Zeit haben würden, morgen einen neuen Generator vorbeizubringen. Dazu müssten wir sie auch gleich in der Früh per Satellitentelefon erreichen. Wider Erwarten klappte die Kommunikation mit der Station und den Walross-Filmern über Satellitentelefon allerdings gleich am Morgen, und bereits am Nachmittag lieferten sie uns einen neuen Generator auf unsere Insel. Wir waren dankbar und erleichtert!
In der Nacht wurden alle Akkus geladen und am nächsten Tag stiegen wir zum dritten Mal auf, um die Drohnen-Befliegung erfolgreich zu Ende zu bringen. Während die Drohne quasi autonom ihre Arbeit tat, kletterten wir noch den Grat zu unseren Webcams hoch, um dort die Speicherkarte mit den Fotos der letzten Jahre zu holen. Auch dieser Weg durch großblockiges Geröll ist im Frühjahr mit Tourenschiern deutlich angenehmer zu gehen.
„Aufgrund der stabilen Schönwetterperiode mit außergewöhnlich hohen Temperaturen (in Zackenberg wurden fast 25 Grad gemessen!) waren unsere Messungen erfolgreich.“
Bernhard Hynek
Wir konnten alles erledigen, was wir uns vorgenommen hatten und kehrten zufrieden an die Station zurück. Vor allem die Vermessung des Gletschers mit der Drohne hat letztlich gut funktioniert und wird uns ein sehr genaues Höhenmodell des Gletschers liefern. So können wir die Volumenänderung zwischen 2021 und 2013 (Jahr der letzten Messung) sehr genau berechnen.
Nach einer Woche im Zelt, abgeschnitten vom Rest der Welt und ohne Sichtung eines Eisbären, kehrten wir wohl behalten an die Forschungsstation zurück, wo inzwischen wegen der täglichen Begegnungen mit Eisbären erhöhte Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden mussten.
Trotz der erfolgreichen Sommermessungen hoffen wir, dass die nächsten Messungen wieder wie geplant im Frühjahr stattfinden können, weil die Schneemobile doch für ein deutlich effizienteres Vorankommen sorgen.
Seit 2017 gibt es auch eine Webcam in der Nähe des Freya-Gletschers, die über die APRI Multimedia Seite online verfügbar ist!
Media information
Verfasst von Bernhard Hynek.
Satz und Layout durch das APRI-Media Team.
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Fotos: ©Bernhard Hynek und Daniel Binder
About the scientific author
Bernhard Hynek (Mag) Wissenschaftler, ZAMG