Das Austrian Polar Research Institute APRI lud gemeinsam mit den Medienstellen der Universitäten Wien und Graz alle an der Arktisforschung Interessierten Medienverantwortlichen zur Pressekonferenz anlässlich der Arctic Science Summit Week vom 17.-24.2. 2023 in Wien ein. Die ASSW wird jährlich vom International Arctic Science Committee (IASC) organisiert, um Gelegenheit für die Koordination, Kooperation und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Organisationen zu schaffen, die an der Arktisforschung beteiligt sind. Sie wurde 1999 vom IASC ins Leben gerufen und hat sich zur wichtigsten jährlichen Zusammenkunft der Arktis-Forschungsorganisationen entwickelt.
Das APRI ist erfreut diese wichtige Konferenz heuer an der Universität Wien als Gastgeber verantworten zu dürfen. Es werden ca. 700 Personen aus der internationalen Arktisforschung erwartet. Die Sessions werden hybrid auch per Videokonferenz zugänglich sein.
Agenda:
Die Bedeutung der Arktisforschung im österreichischen Kontext in vier 5-Minuten-Statements.
- Prof. Dr. Wolfgang Schöner
APRI-Direktor
Institut für Geographie und Raumforschung an der Universität Graz
Thema: Warum beteiligt sich Österreich an der internationalen Polarforschung?
Der Grundstein für die österreichische Polarforschung wurde vor genau 150 Jahren durch die berühmte Payer-Weyprecht-Expedition auf der Suche nach der Nordostpassage gelegt. - Prof. Dr. Paul Wassmann
Institut für Arktis- und Meeresbiologie, UiT Norwegens Arktische Universität, Tromsø
Thema: Die Rolle des Arktischen Ozeans für das Klima der Erde
Das International Arctic Science Committee (IASC) verleiht Prof. Wassmann im Rahmen der ASSW 2023 die IASC-Medaille für herausragende und nachhaltige Leistungen zur Verbesserung des Wissens über die Ökologie des Arktischen Ozeans und die Fähigkeit, exzellente Wissenschaft und ganzheitliche Bemühungen um die Zusammenführung verschiedener Disziplinen zu verbinden. - Mag. Dr. PD Birgit Sattler
APRI-Vorstand
Institut für Ökologie an der Universität Innsbruck, Forschungsgruppe Seen und Gletscher
Thema: Das Anthropozän fordert die Arktis – auf mehreren Ebenen
Mit dem Anthropozän, welches auch den Klimawandel impliziert, gerät die Arktis auf mehreren Ebenen unter wachsenden Druck. Im Rahmen der ASSW23 werden interdisziplinär heiße Themen diskutiert wie Habitatverlust, Biodiversitätskrise, Verschmutzung oder auch der rasche Wandel der Lebensbedingungen für indigene Völker. - Mag. Dr. PD Gertrude Saxinger
APRI-Vorstand
Institut für Politikwissenschaft, Universität Wien, Österreich
Institut für Sozialanthropologie, Universität Bern, Schweiz
Thema: Arktisforschung – auch ein dekolonialer gesellschaftlicher Auftrag
Zeitgemäße Natur- und Sozialwissenschaften sind gefordert, mit neuen kollaborativen Forschungsmethoden das Wissen und die Forschungsbedarfe der indigenen und lokalen Bevölkerung zu mobilisieren. Nur so kann ein lokal und global relevanter gesellschaftlicher Nutzen von öffentlich finanzierter Arktisforschung erzielt und die fortdauernden kolonialen Zusammenhänge in der Arktis in den Blick genommen werden.
Prof. Dr. Wolfgang Schöner
Austrian Polar Research Institute (APRI) und
Universität Graz
Heinrichstrasse 36
8010 Graz
wolfgang.schoener@uni-graz.at
Forschungsgruppe Schöner
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Warum beteiligt sich Österreich an der internationalen Polarforschung?
Der Grundstein für die österreichische Polarforschung wurde vor genau 150 Jahren durch die berühmte Payer-Weyprecht Expedition auf der Suche nach der Nordostpassage gelegt. Auch wenn das Ziel der Befahrung der Nordostpassage nicht glückte, wurde durch die Entdeckung der Inselgruppe Franz Josef Land und auch einem umfangreichen wissenschaftlichen Beobachtungsprogramm die österreichische Polarforschung initiiert. Ganz besonders hat aber eine pionierhafte Idee von Carl Weyprecht, nämlich die Durchführung eines internationalen Polarjahres, die Polarforschung auf internationale Ebene ganz wesentlich vorangebracht. Diese Weyprecht’sche Idee ist auch heute noch gültig, die Polarforschung/Arktisforschung ist auf internationale Projekte und Kooperationen angewiesen. Auch Österreich beteiligt sich erfolgreich an internationalen Projekten auf EU-Ebene oder anderen internationalen Initiativen.
Da stellt sich die Frage warum sich Österreich, als ein Binnenland weit weg von den Polarregionen, an der Polarforschung beteiligen soll? Das ist sehr gut zu begründen. In den Polarregionen, und insbesondere in der Arktis, zeigen sich der Klimawandel und seine Auswirkungen besonders extrem. Diese Veränderungen sind jedoch nicht nur für die Polarregionen relevant, sondern auch für weit entfernte Regionen wie z.B. Österreich. Meeresspiegelanstieg, extreme Wettereignisse in den mittleren Breiten und der globale Klimawandel (z.B. durch die CO2-Freisetzung aus dem Permafrost) werden besonders stark von den hohen Breiten gesteuert. Diese Schlüsselprozesse des Klimawandels besser zu verstehen und durch Modelle simulieren und damit vorhersagen zu können, ist eine internationale Aufgabe der Forschung. Daher ist auch Österreich gefordert sich zu beteiligen, eigentlich sich in Zukunft noch viel stärker einzubringen, insbesondere auch auf politischer Ebene. Zu diesen politischen Aufgaben zählt zum Beispiel, zur Erhaltung und zum Schutz dieser einzigartigen Landschaft und Regionen in der Arktis im Sinne der ansässigen Bevölkerung beizutragen.
Seitens der österreichischen Wissenschaft wurde mit der Gründung des Austrian Polar Research Institute APRI im Jahr 2013, mit der Mitarbeit in International Arctic Science Committee IASC, dem Scientific Committee on Antarctic Research SCAR und dem European Polar Board EPB wesentliche Schritte getan. In internationaler Anerkennung dieser Aktivitäten wurde Österreich nun mit der Ausrichtung der Arctic Science Summit Week 2023 hier in Wien betraut. Mit dem heurigen Jahr 2023 wird Österreich auch, in Kooperation mit Dänemark, eine Polarstation in Grönland zur Unterstützung der österreichischen und internationalen Arktisforschung betreiben. Jedoch musste dazu, so wie auch bei der Payer-Weyprecht Expedition, ein privater Gönner gefunden werden. War es vor 150 Jahren insbesondere Hans Graf Wilczek, so ist heute Christian Palmers. Eine entsprechende Unterstützung seitens des Staates Österreich fehlte damals und leider auch heute.
Österreichische Polarforschungsstation Sermilik, Ostgrönland, ©Vestergaard
Wiener Neustadt Insel, Franz Josef Land, ©Christoph Ruhsam, www.pure-landscapes.net
Prof. Dr. Paul Wassmann
Institut für Arktische und Meeresbiologie
UiT Norwegens Arktische Universität
Muninbakken 21
9037 Tromsø, Norwegen
Paul.wassmann@uit.no
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Die Rolle des Arktischen Ozeans für das Klima der Erde
Der Arktische Ozean ist kein abgeschiedener und vernachlässigbarer Anhang des Nordatlantiks, sondern ein voll-integrierter Teil der nördlichen Hemisphäre, der Milliarden von Bewohnern angeht. Wesentliche Elemente unseres lokalen Klimas und der Meeresökologie des Nordatlantiks werden vom Arktischen Ozean und angrenzenden Landmassen beeinflusst und teilweise dominiert.
Die Süßwasserzufuhr, Eisbedeckung und Eisschmelze im Arktischen Ozean wird durch den niederschlagsreichen Westwinddrift und das Nordpazifische Oberflächenwasser verursacht. Der größte Teil dieses Süßwassers (und Eises) stammt aus der Verdunstung im tropischen Atlantik, der auch salzreiches und warmes Wasser in den Arktischen Ozean entsendet (Atlantifizierung). Eisschmelze, Meereserwärmung und die zunehmende Frequenz der Hurrikane müssen im Zusammenhang gesehen werden.
Die Erwärmung durch den bisheriges Klimagasausstoß reicht aus um das ganze Meereis und grönländische Inlandeis zu schmelzen. Wir haben diesen Wendepunkt (tipping point) schon überschritten. Es wird keine Erholung in den nächsten hunderten Jahren geben. Es ist müßig über etwas zu lamentieren, das nicht verändert werden kann. Der dadurch verursachte Anstieg des Meeresspiegels könnte bis zum Ende des Jahrhunderts zu 600 Millionen Klimaflüchtlingen führen. Die damit verbundenen Kosten (von den humanitären Herausforderungen ganz zu schweigen) sind Teil des „Preises“ für den Verbrauch fossiler Brennstoffe; ein Darlehen, welches über viele hundert Jahre abbezahlt werden wird. Unser heutiges Bestreben die Klimaerwärmung in Grenzen zu halten, dient dazu zuzügliche Wendepunkte abzuwehren.
Die marinen Ökosysteme der Arktis unterliegen rasanten Veränderungen, sind aber darauf gut „vorbereitet“: Es hat in der letzten Million Jahre 5 Vereisungen und Abschmelzungen gegeben. Die Artenvielfalt des Arktischen Ozeans ist ein Kommen und Gehen von Kälte- oder Wärme-liebenden Formen.
Die erhöhte Schichtung des Oberflächenwassers resultiert in einer geringeren Aufnahme von atmosphärischem Karbondioxid, weniger Nährsalzen, reduzierter Fischfutterproduktion und, auf die lange Sicht gesehen, weniger Fischerei. Diese ist im Arktischen Ozean erheblich und ein wichtiger Teil unserer Ernährung. Norwegen allein produziert 15 Millionen Fischmahlzeiten pro Tag in der Barents See. Österreich könnte das tägliche Mittagessen nur durch die Barents See beziehen. Anregung zum Nachdenken: die Länder Europas, die nachhaltige Fischbestände haben sind keine Mitgliedsstaaten der EU.
Eisfreies Wasser im Arktischen Ozean ist die Ursache für die Windungen des Jetstreams. Die erhöhte Wellenbildung des Jetstreams ist eine wesentliche Ursache für die erhöhte Variabilität des Wetters bis hin zum Mittelmeer (zu heiß, zu kalt, extreme Wetterereignisse). „Das Wetter spielt verrückt“ kann durchaus bedeuten dass es viel weniger Meereis im entfernten Arktischen Ozean gibt. Der Arktische Ozean hat daher einen direkten Einfluss auf das lokale Wetter.
Der Arktische Ozean ist kein abgelegener Teil der Welt, der vergessen werden kann weil er weit weg ist und nur 5 Promille der Erdbevölkerung dort leben. Das arktische „Käppi“ ist ein integrierter und wesentlicher Bestandteil der gesamten nördlichen Hemisphäre. Arktisforschung in Österreich ist daher nicht nur Weyprecht, Payer und Franz Josef Land, sondern trägt auch zum Verständnis des täglichen Lebens bei, welches zur Lebensgrundlage der Österreicher beiträgt.
Österreich, als Teil der nördlichen Hemisphäre, beeinflusst den Arktischen Ozean durch Klimagase und wird von ihm beeinflusst. Die von Österreich durchgeführte Arktisforschung ist kein Zeichen eines bizarren akademischen Interesses, sondern ein konkreter Bestandteil des Alltags und der grundlegenden Realität des Landes. Die Aussagen von Wissenschaftlern, im Allgemeinen nüchtern und sachlich, verwandeln sich oft in den Ohren der Gesellschaft zu Unken- manchmal auch Kassandrarufen. Gute Kommunikation ist ein aufrichtiges Zusammenspiel zwischen Sender und Empfänger. Die Wissenschaft macht sachliche Aussagen, zu der die Öffentlichkeit Stellung nehmen kann, wenn sie möchte.
Orange Iceberg, ©Rudi Caeyers UiT
Mag. Dr. PD Birgit Sattler
Limnologin an der Universität Innsbruck
Institut für Ökologie, Technikerstrasse 25, 6020 Innsbruck
birgit.sattler@uibk.ac.at
www.uibk.ac.at/ecology
Forschungsgruppe Sattler
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Das Anthropozän fordert die Arktis - auf mehreren Ebenen
Im Rahmen dieser Konferenz werden „heiße Eisen“ im Sinne einer Bedrohung für die Integrität von hochsensiblen Lebensräumen behandelt.
Polare oder auch hochalpine Regionen werden als besonders vulnerabel betrachtet, da die extremen Lebensbedingungen eine hohe Anpassung der Organismen abverlangt und gleichzeitig wenig Handlungsspielraum durch die kurzen Vegetationsperioden dafür anbietet. Die Bedrohung geht vielfach vom Menschen aus und drückt sich in verschiedenen Zeitskalen auf unterschiedlichsten Ebenen aus.
Der immense Druck, der durch den Klimawandel verursacht wird, hat eine Verarmung an Habitatstruktur und Biodiversität zur Folge. Beide Effekte mindern die Resilienz arktischer Ökosysteme um ein Vielfaches. Der Mensch als Hauptverursacher muss jedoch nicht unmittelbar in der Arktis sein, um seine Spuren zu hinterlassen: long-distance Transporte von anthropogenen Partikeln z.B. resultieren in langfristig wirksame Depositionen, welche über die Nahrungsketten akkumuliert werden und zu Langzeitschäden in Organismen führen kann.
Ein beinahe schon omnipräsentes Thema sind Funde von Makroplastik, welches im Laufe der Zeit und unter dem Druck von UV und mechanischer Belastung zu Mikroplastik zerkleinert wird, das leicht von Organismen aufgenommen werden kann. Die Präsenz von Mikroplastik in der Umwelt kann die Ausbildung von Antibiotikaresistenzen bewirken, bzw. können Plastikpartikel als Vehikel oder „Taxi“ für potenziell pathogene Keime wirken und ein Ökosystem in seiner Integrität empfindlich stören. Das Plastik in der Arktis ist gekommen, um zu bleiben. Es wurde in der Luft, in Schnee und Eis, in Fäkalien von Säugern oder im Gewebe von Vögeln detektiert.
Menschliche Aktivitäten verursachen auch einen Transport von organischen Kontaminanten, wie z.B. der klassischen persistent organic pollutants (POPs) oder auch von künstlichen Radionukliden, welche durch Atombombentests oder Reaktorunfällen freigesetzt wurden. Jene Radionuklide sind bis heute noch auf Sedimentablagerungen auf glazialen Oberflächen akkumuliert und können nicht nur auf die dort lebenden Organismen negative Auswirkungen, sondern auch Implikationen für das Umfeld indigener Völker haben.
Diese anthropogenen Kontaminanten werden in der künftigen Arktisforschung an Bedeutung gewinnen, indem man ihre Auswirkungen auf empfindliche Ökosysteme und dort lebender Menschen untersucht. Eine wichtige Komponente jedoch ist auch die Chance, über gute Wissenschaftskommunikation den Hebel bereits am Ursprung der Emissionen anzusetzen und dadurch Empfehlungen bzw. Direktiven für Stakeholder und Politik aussprechen zu können.
Plastikmüll, Spitzbergen, ©Birgit Sattler
Dr. PD Gertrude Saxinger
Sozialanthropologin
Institut für Politikwissenschaft, Universität Wien, Österreich
Institut für Sozialanthropologie, Universität Bern, Schweiz
Forschungsgruppe Saxinger
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Rohstoff-Forschung für die ‚grüne Wende‘. Wenn Klimapolitik neue Formen von Kolonialismus in der Arktis fördert
Rund um den arktischen Polarkreis sind die sozialen, ökologischen und kulturellen Auswirkungen von Rohstoffabbau, insbesondere auf die indigene Bevölkerung, sehr groß.
Neben Umweltschäden und den massiven Einschränkungen für die indigene Bevölkerung – bis hin zur teilweisen Zerstörung von kulturellen Praktiken und ihrer Sprachen im Laufe der Bergbau- und damit verbundenen Kolonialgeschichte -, ist die Rohstoffförderung aber auch ein wirtschaftlicher Motor und Arbeitgeber in diesen recht entlegenen arktischen Gebieten. Darüber hinaus hat gerade die von den Betroffenen als kolonialistisch bezeichnete Erschließungspolitik des Nordens vielerorts zum heute durchaus gut organisierten Kampf für indigene Rechte, politische Selbstverwaltung und Mitbestimmung im staatlichen Lizenzierungsprozedere für neue Abbauprojekte geführt.
Der Erfolg dieser indigenen politischen Bewegungen fällt in den acht Arktis-Anrainerstaaten jedoch recht unterschiedlich aus. Während in Alaska und Nordkanada die Konsultation, Gewinnbeteiligung und Mitsprache bei industrieller Erschließung rechtlich gut verbrieft sind, hinken die skandinavischen Länder mit einer modernen Gesetzgebung zu indigenen Rechten hinterher. Die Sámi Bevölkerung spricht daher von ‚grünem Kolonialismus‘ im Zuge des massiven Ausbaus von Windparks und Wasserkraftwerken auf ihrem angestammten Land. Denn die notwendigen Weideflächen für die Rentierzucht werden zunehmend kleiner. In Russland haben Indigene ebenfalls einen rechtlichen Sonderstatus, der allerdings zum Schutz ihrer ökologischen und sozio-kulturellen Lebensbedingungen nicht effektiv genug ist. Beispielsweise sind die Wanderrouten der nomadischen Nenzen und ihrer Rentiere von industrieller Infrastruktur durchschnitten. Die riesigen Petro-Förderanlagen durchziehen die Tundra und Taiga über zig-Tausende von Quadratkilometern.
Die Bergbauforschung rückt mehr denn je in Richtung Zentrum von Politikberatung. Die Bereitstellung von verständlich aufbereiteten wissenschaftlichen Ergebnissen für indigene VertreterInnen, nationale Regierungen, EU-Kommission, NGOs sowie für die interessierte Bevölkerung auch außerhalb des Nordens, wird zunehmend eine zentrale Aufgabe für WissenschafterInnen. Wissenschaftskommunikation kommt jedoch im aktuellen akademischen System viel zu kurz und wird in Leistungsbilanzen nur gering bewertet. Es gilt jedoch, Menschen für die Arktis zu interessieren. Denn diese ist nicht so weit weg, wie man denken mag – wir nutzen nämlich täglich ihre Rohstoffe. Das hat insbesondere die nun virulent gewordene europäische Abhängigkeit von russischem Erdgas gezeigt. Die Northstream und andere Pipelines führen auf direktem Weg aus der Arktis zu uns.
Die Relevanz von wissenschaftlich informierter Politik zeigt sich jetzt gerade auch in der Europäischen Union. Diese setzt sich mit der Europäischen Green Deal Politik das ambitionierte Ziel, Treibhausgase um 55% bis 2030 zu reduzieren. Die sogenannte ‚grüne Wende‘ wurde zu einem weltweiten Paradigma in Wirtschafts-, Klima- und Energiepolitik. Die Abkehr von Kohle, Erdöl und Erdgas und der Umstieg auf andere Energieformen für Industrieproduktion und E-Mobilität sowie die Entwicklung ‘grüner’ Technologien in Bereichen wie Windenergie oder Photovoltaik, erfordern aber eine aktuell noch nicht ausreichend bezifferbare Vervielfachung von Bergbau weltweit. Hier geht es insbesondere um die kritischen Mineralien, wie zum Beispiel Nickel, Kupfer, Lithium, Kobalt oder seltene Erden und viele andere mehr. Die Arktis ist spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts Bergbau-Hotspot und viele der heute hoch nachgefragten und am Markt mitunter astronomische Preise erzielenden kritischen Mineralien sind dort vorhanden.
Die mitunter dramatische Geschichte rund um den Bergbau und die Petro-Industrie ist den Indigenen in der Arktis noch sehr gut im Gedächtnis. Die Befürchtung ist nun groß, dass die ‚grüne Wende‘ neue Formen von Kolonialismus befördert.