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Mikrofossilien aus kreidezeitlichen Sedimenten der Antarktis können als Archiv der paläontologischen Umwelt verstanden werden, das die große Variabilität paläoklimatischer Bedingungen von Hitzeperioden in der “Mittelkreide” bis zur allmählichen Abkühlung am Ende dieses Zeitraums dokumentiert.

Das Forschungsschiff JOIDES Resolution und die Position zweier Forschungsbohrungen von Expedition 369, durchgeführt im Rahmen des International Ocean Discovery Program vor der Küste Westaustraliens. (© CC BY 4.0: JOIDES RESOLUTION: IODP/Bill Crawford, Erik Wolfgring)

Die Reaktion mariner Mikroorganismen (insbesondere benthische und planktonische Foraminiferen) auf Umweltänderungen am Meeresboden und in den Oberflächenwässern steht im Mittelpunkt unserer Studien. Basierend auf den Erkenntnissen der Expedition 369 (Australia Climate and Tectonics) des International Ocean Discovery Program werden im FWF-Projekt (J-4444) die Klimatrends im Zusammenhang mit dem Auseinanderbrechen des Superkontinents Gondwana, kreidezeitlichen “Extremklimaphasen” und sich ändernden ozeanischen Zirkulationsmustern untersucht.

„Mikrofossilien dokumentieren „Todeszonen“ der Ozeane inmitten extremer Treibhausphasen der Kreidezeit, die anschließende Restrukturierung ozeanischer Zirkulationsmuster und die Öffnung neuer Meeresstraßen.“

Erik Wolfgring

Kreidezeitliche Klimaentwicklung in hohen südlichen Breiten

Das Auseinanderbrechen des Superkontinents Ost Gondwana, die Rekonfiguration der Landmassen sowie eine Neuordnung ozeanischer Zirkulationsmuster, zusammen mit global hohen CO2-Werten (die vermutlich durch immense vulkanische Aktivität verursacht waren): dies sind Faktoren, die für kreidezeitliche Klimaextreme mitverantwortlich sind und die wesentlichen Triebkräfte für bedeutende Veränderungen im Ozean- und Klimasystem der Erde während dieser Periode darstellen.

Daten aus den südlichen Breiten der Austral-Antarktis (~60°S Paläolatitude), die für die Klimamodellierung eine entscheidende Rolle spielen und für die Kohärenz der Paläoklimaaufzeichnungen von entscheidender Bedeutung sind, sind in der Kreidezeit unterrepräsentiert. Das Verständnis der umfassenden geologischen und paläogeographischen Entwicklung der südlichen Hemisphäre ist für die Rekonstruktion ozeanischer Zirkulationsmuster während der Erdgeschichte unerlässlich. Kontinuierliche biostratigraphische und gut abgesicherte Daten über benthische Foraminiferen aus der „mittleren“ bis oberen Kreide sind für diese Region ebenso rar wie das Wissen über paläoklimatische Rekonstruktionen. Nur wenige Studien (Tiefseebohrungen) untersuchten die benthische Foraminiferenfauna und stellten einen breiteren stratigraphischen und paläoökologischen Kontext her. Im Rahmen der Expedition 369 wurden vor der Küste Australiens zahlreiche Lokalitäten beprobt, die in der Kreidezeit auf einer Paläolatitude von etwa 60° lagen. Die genauere Auswertung der Sedimentproben und der darin enthaltenen Fossilfunde ermöglichte die Rekonstruktion der benthischen Paläoumwelt.

Wissenschaftler warten gespannt auf die Durchsage: „Core on Deck!“, die ihnen signalisiert, dass ein weiterer Sedimentkern für die Untersuchung bereit ist. (© CCBY 4.0: IODP)

Australische Paläoumwelt vom Beginn des Turoniums bis zum Santonium - vom Treibhaus zum Gewächshaus

Wir haben Sedimentkerne vor der australischen Küste entnommen, um das Oceanic Anoxic Event 2 (OAE 2) zu untersuchen, das eine enorme Störung des Kohlenstoffkreislaufs darstellte (Cenoman/Turonium, ~94 Ma). Diese Episode der globalen Erwärmung und anoxischer/hypoxischer Phasen in den unteren Wasserschichten wurde von der Ablagerung organischen Kohlenstoffs und von der Ablagerung von Schwarzschiefern begleitet.

Intensivierter hydrologischer Zyklus, erhöhter Materialeintrag vom Kontinent, schlecht geschichtete Bodenwassermassen und eine hohe Verfügbarkeit von Nährstoffen führten anfangs zu einer erhöhten organischen Produktivität am Rande Westaustraliens. Letztendlich führten diese, sich gegenseitig verstärkenden Prozesse, jedoch zu einem hohen Sauerstoffverbrauch und trugen maßgeblich zum Entstehen hypoxischer, oder sogar anoxischer Bedingungen bei.

Wir dokumentieren die Zunahme von Foraminiferen, die sauerstoffarme Umgebungen tolerieren, gefolgt von dem beinahe vollständigen Verschwinden aller Lebewesen in den Bodenwässern. Die in benthischen Foraminiferenschalen erhaltenen Isotopensignale deuten auf Meeresbodentemperaturen von bis zu 20° Celsius hin. Nach Abklingen des OAE 2 sanken die Ozeantemperaturen nur langsam und signifikante Abkühlungssignale können in Richtung des Santonium der Kreidezeit (~86 Ma) dokumentiert werden.

Sauerstoffisotope planktonischer Foraminiferenschalen dokumentieren einen Abkühlungstrend von ~ 5° Celsius in den Oberflächenwässern, während Sauerstoff Isotopensignale benthischer Arten auf eine Abkühlung von ~2° Celsius in den Tiefenwässern hindeuten. Die Ursachen für die Abkühlung der Oberflächenwässer im Santonium in den hohen Breiten sind noch unklar und könnten mit der Reorganisation der ozeanischen Strömungsmuster oder die Differenzierung der Wassermassen zusammenhängen, was gegen Ende der Kreidezeit zu einem verstärkten Bioprovinzialismus führte.

Einblicke in urzeitlichen Klimawandel

Die Analyse von Foraminiferen-Vergesellschaftungen aus Sedimentproben, die mit wissenschaftlichen Tiefseebohrungen gewonnen wurden, bietet die nie dagewesene Möglichkeit, unser Verständnis der Ursachen und Auswirkungen großer Störungen im Kohlenstoffkreislauf und im ozeanischen Klimasystem in den südlichen hohen Breiten zu verbessern. Die Kombination von Mikrofossilienanalysen mit geochemischen Daten bietet die Möglichkeit, das Tempo und das Ausmaß vergangener extremer Klimaveränderungen zu messen – und deren langfristige Folgen.

Medieninformation

Verfasst von Petra Heinz und Erik Wolfgring.
Layout und Satz durch das APRI-Medien Team.
Kontakt: Nützen Sie unser Kontaktformular.
Fotos: © Erik Wolfgring

Über den wissenschaftlichen Autor

Dr. Erik Wolfgring ist Wissenschaftler an der Universität Wien und Mitglied der APRI Forschungsgruppe Heinz.

Weiterführende Literatur:

Wolfgring, E., Amaglio, G., & Petrizzo, M. R. (2023). Cretaceous southern high latitude benthic foraminiferal assemblages during OAE 2 at IODP Site U1516, Mentelle Basin, Indian Ocean. Cretaceous Research148, 105555.

Petrizzo, M. R., Amaglio, G., Watkins, D. K., MacLeod, K. G., Huber, B. T., Hasegawa, T., & Wolfgring, E. (2022). Biotic and paleoceanographic changes across the Late Cretaceous Oceanic Anoxic Event 2 in the southern high latitudes (IODP sites U1513 and U1516, SE Indian Ocean). Paleoceanography and Paleoclimatology37(9),  https://doi.org/10.1029/2022PA004474.

Wolfgring, E., Petrizzo, M. R., MacLeod, K. G., Huber, B. T., & Watkins, D. K. (2022). Santonian deep sea benthic foraminifera from IODP Site U1513, Mentelle Basin (SW Australia): Reactions of benthic foraminiferal assemblages to surface water cooling at southern high latitudes. Marine Micropaleontology175, 102152.

Petrizzo, M. R., MacLeod, K. G., Watkins, D. K., Wolfgring, E., & Huber, B. T. (2022). Late Cretaceous paleoceanographic evolution and the onset of cooling in the Santonian at southern high latitudes (IODP Site U1513, SE Indian Ocean). Paleoceanography and Paleoclimatology37(1), e2021PA004353.

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