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Eine weitere wissenschaftliche Studie unserer APRI-Mitglieder von der Universität Graz und Innsbruck wurde kürzlich im International Journal of Climatology veröffentlicht. Die Zusammenarbeit von Tiago Silva, Manuela Lehner und Elisabeth Schlosser führte zu einer umfassenden Analyse von 25 Jahren Temperatur- und Feuchtigkeitsinversionen an der Neumayer-Station in der Antarktis.

Was ist eine atmosphärische Inversion?

Temperatur und Luftfeuchtigkeit nehmen nicht immer mit der Höhe ab. Besonders die Wanderer oder Skitourengeher kennen das Phänomen, welches man besonders häufig im Winter beobachten kann; Man startet im Tal und der Himmel scheint bedeckt zu sein aber nach nur ein paar hundert Höhenmeter Aufstieg gelangt man über die Nebelgrenze und erblickt einen blauen und wolkenlosen Himmel, währen das Tal von einem Wolkenmeer bedeckt ist. Dieses Phänomen tritt auf, wenn eine Temperatur- und Feuchtigkeitsinversion vorliegt, also eine Zunahme der Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit mit der Höhe. In diesem speziellen Fall wird die Luft über den Schnee bedeckten Bergen durch den Schnee abgekühlt, sie bewegt sich an den steilen Hängen abwärts und setzt sich im Tal ab und bildet den so genannten Kaltluftpool. Diese schwere und oft trockene Luft bleibt so lange stehen, bis entweder Sonnenstrahlen oder Winde eintreffen, die stark genug sind, um die Inversion wieder aufzulösen.

Abbildung 1: Typische niedrige Wolkenschicht in Verbindung mit einer Temperaturinversion in einer Bergregion.  (foto-webcam.eu)

Inversionen gibt es fast das ganze Jahr über in den Polarregionen. Vor allem unter dem Einfluss von Hochdrucksystemen, der schneebedeckten Oberfläche und der lang anhaltenden Abwesenheit von Sonnenlicht wird die Bildung von Temperaturinversionen durch Abkühlung der darüber liegenden Luft gefördert.

Es gibt mehrere Merkmale, die Inversionen im Allgemeinen kennzeichnen: ihre Stärke, Tiefe und Höhe. Die Stärke der Inversion gibt den Temperatur- (oder Feuchtigkeits-) anstieg vom Boden (niedrige Temperatur) bis zum Gipfel (hohe Temperatur) der Inversion an; die Tiefe gibt die Höhe zwischen dem Boden und dem Gipfel der Inversion an; und schließlich die Höhe, die die Höhe angibt, in der der Boden der Inversion liegt. Das oben beschriebene Inversionsbeispiel gehört zur Gruppe der oberflächenbasierten Inversionen, da der Inversionsboden sehr nahe an der Oberfläche liegt. Inversionen treten jedoch in einem breiten Spektrum von Höhenlagen auf, und es gibt verschiedene Entstehungsmechanismen.

Wie können wir eine atmosphärische Inversion messen?

Inversionsmerkmale können mit Hilfe von Atmosphärenbeobachtungen (z. B. Wetterballons, auch bekannt als Radiosonden) berechnet werden. Radiosonden bestehen aus einem kleinen elektronischen Gerät, das an einem mit Helium gefüllten Ballon befestigt ist. Das elektronische Gerät enthält mehrere Sensoren zur Messung von Luftdruck, Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und -richtung sowie der Schadstoffkonzentration in der Atmosphäre. Radiosonden sind nicht nur für die Untersuchung atmosphärischer Inversionen nützlich, sondern unterstützen beispielsweise auch die tägliche Wettervorhersage weltweit.

Abbildung 2: Start einer Radiosonde an der Dome Fuji Station in der Antarktis durch Dr. Konosuke Sugiura. (Taichi Ito)

Wo befindet sich die Neumayer-Station?

Die von unseren APRI-Wissenschaftlern durchgeführte Studie stützt sich auf 25 Jahre Radiosondendaten, die an den Neumayer-Stationen II und III (in Abbildung 3 durch einen dunklen Kreis gekennzeichnet) gesammelt wurden. Die Neumayer-Station ist eine deutsche Antarktis-Forschungsstation, die 1981 auf dem Ekström-Schelfeis im küstennahen Dronning Maud Land (Queen Maud) in der Ostantarktis errichtet wurde. Die Küste von Dronning Maud Land ist dem Atlantischen Ozean zugewandt, und das nächstgelegene Stück Land ist die Südspitze von Afrika. Die erste Basis bestand für 11 Jahre und wurde 1992 durch Neumayer II ersetzt, welche wiederum im Jahr 2009 durch die moderne Neumayer III (im Folgenden „Neumayer“ genannt) ersetzt wurde.  Im Bereich der Neumayer steht die Sonne von Mitte November bis Mitte Januar dauerhaft über dem Horizont (Polartag) und von Mitte Mai bis Mitte Juli dauerhaft unter dem Horizont (Polarnacht).

Das Ekström-Schelfeis ist eines der kleineren Schelfeisgebiete in der Antarktis. Es erstreckt sich über eine Länge von etwa 120 km nach Süden und wird im Osten und Westen von ca. 500 m hohen Bergrücken begrenzt. Der umgebende Ozean ist den größten Teil des Jahres von Meereis bedeckt. 

Abbildung 3: Das Dronning Maud Land (zu Ehren der norwegischen Königin Maud von Wales) und die typischen Flugrouten innerhalb des Dronning Maud Land Flugnetzes. Die Neumayer-Station ist durch den dunklen Kreis hervorgehoben. (Quelle: König-Langlo und Loose (2007))

Warum werden atmosphärische Inversionen in der Antarktis untersucht?

Eine spezielle Anwendung von Inversionsstudien ist die paläoklimatische Interpretation von Eis- und Schneeproben in Form von Bohrkernen. Wenn Schnee fällt, hinterlässt er einen Abdruck der atmosphärischen Zusammensetzung in genau diesem Moment. Bei aufeinanderfolgenden Schneeereignissen verdichtet sich der Schnee allmählich in Schneeschichten. Im Laufe der Zeit wird die Klimageschichte eines bestimmten Ortes Jahr für Jahr aufgezeichnet und über Eisbohrkerne zugänglich gemacht. Die Eisbohrkerne mit dem ältesten Eis werden aus den Eisschildern der unberührten Polargebiete wie Grönland und der Antarktis entnommen.

Eisbohrkerne, ähnlich wie Baumringe, liefern Hinweise auf die frühere Zusammensetzung der Atmosphäre und könnten Aufschluss darüber geben, wie warm oder kalt das Klima in der Vergangenheit gewesen sein mag. Die Ableitung von Paläo-Temperaturen aus der früheren atmosphärischen Zusammensetzung basiert auf der Beziehung zwischen dem „Fingerabdruck“, den das frühere Niederschlagsereignis hinterlassen hat, und der damit verbundenen Kondensationstemperatur und nicht auf der Oberflächentemperatur. An den Standorten aus denen Eisbohrkerne entnommen werden, herrschen meist starke Inversionen vor, aus diesem Grund, wird die Temperatur an der Spitze der Inversion häufig als Kondensationstemperatur angenommen.

Abbildung 4: Wissenschaftler bei der Entnahme von Eiskernproben. (NSIDC, mit freundlicher Genehmigung von Ted Scambos und Rob Bauer)

Warum ist die aktuelle Studie so wichtig?

Die APRI-Wissenschaftler haben zum ersten Mal eine Klassifizierung vorgenommen, um Inversionen in Abhängigkeit von den an der antarktischen Station beobachteten Wetterbedingungen zu unterscheiden. Auf der Grundlage von 25 Jahren Daten zeigen ihre Ergebnisse Unterschiede in der Saisonalität und den Merkmalen der Inversion (Stärke und Tiefe) in Abhängigkeit von der Wetterlage und der Höhe des Auftretens. Auf diese Weise konnten sie Inversionen unterscheiden, die durch Abkühlung an der Oberfläche entstehen. Im Gegensatz zu den oben beschriebenen windstillen Bedingungen bei der Bildung einer Temperaturinversion in einem Alpental entstehen diese Inversionen hauptsächlich durch die starken und feuchten Winde, die Wärme und Feuchtigkeit vom Ozean in Richtung der antarktischen Küste transportieren. Die in ihrer Studie berichtete 25-jährige Klimatologie dient nun als erster Schritt zum besseren Verständnis der antarktischen Inversionsmerkmale und zur Infragestellung allzu simpler Annahmen in bisherigen Paläoklimastudien. Die aktuelle Arbeit der APRI-Forscher geht über die veröffentlichten Ergebnisse hinaus und könnte in Zukunft auf andere antarktische Regionen übertragen werden.

Warum interessieren wir uns für das Paläoklima?

Das Leben auf dem Planeten Erde existiert seit Hunderten von Millionen von Jahren. Der Planet Erde hat jedoch mehrere Massenaussterben erlebt. Das Leben und das Klima haben sich seit ihren Anfängen verändert. Zusätzlich zu den natürlichen Klimaveränderungen (z. B. Vulkanausbrüche, Sonnenzyklen, Erdachsenzyklen) haben die Praktiken, mit denen wir zur technologisch am weitesten entwickelten Spezies wurden, unwiderlegbare Veränderungen im Erdsystem verursacht. Mit Hilfe fortschrittlicher technologischer Geräte helfen uns Paläoklimastudien, das Klima der Vergangenheit zu verstehen und zu beurteilen, wie die Erdatmosphäre in der Vergangenheit auf Veränderungen der atmosphärischen Temperatur und der atmosphärischen Zusammensetzung reagiert hat. Dennoch gibt es noch viele Geschichten, die unter dem Eis verborgen sind, zu erzählen.

Medieninformation

Verfasst von Tiago Manuel Ferreira da Silva
Redaktion und Layout vom APRI-Medienteam
Rückfragen: Nützen Sie unser Kontaktformular
Header Foto: © Elisabeth Schlosser

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