Die Arctic Science Summit Week 2023 - ASSW23 - fand heuer an der Universität Wien mit mehr als 700 ArktisforscherInnen statt. Das Austrian Polar Research Institute APRI durfte als Gastgeber agieren und organisierte mehrere soziale Events, die viel Raum für die Vernetzung der TeilnehmerInnen boten.
Die ASSW wird jährlich vom International Arctic Science Committee (IASC) organisiert, um Gelegenheit für die Koordination, Kooperation und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Organisationen zu schaffen, die an der Arktisforschung beteiligt sind. Sie wurde 1999 vom IASC ins Leben gerufen und hat sich zur wichtigsten jährlichen Zusammenkunft der Arktis-Forschungsorganisationen entwickelt. Neben dem wissenschaftlichen Auftrag war es daher für das APRI auch ein Ziel, den internationalen Gästen österreichische Kultur und Gastfreundschaft erfahrbar zu machen. Lesen Sie über einige der sozialen Highlights von der ASSW23.
Naturhistorisches Museum Wien
Icebreaker
Den Auftakt zur Konferenz gab es bereits in Form eines kulturellen Höhepunktes: Im Naturhistorischen Museum Wien (NHM) wurden die WissenschaftlerInnen aufs Freundlichste von der Museumsleitung Dr. Katrin Vohland willkommen geheißen. Das NHM geht auf die habsburgische Kaiserzeit des 19. Jhdts. zurück und bot ein wahrlich prachtvolles Umfeld für den Icebreaker-Event. Die Direktorin brachte die enge Verbundenheit mit der Wissenschaft und der Kultur in ihrer Begrüßungsrede zum Ausdruck und erwähnte die gute Zusammenarbeit mit dem APRI für die Sonderausstellung „Arktis“, die ab November 2023 für neun Monate ihre Tore öffnen wird. Darin sollen die wichtigsten Themen der Arktis im Anthropozän präsentiert werden und die aktuelle Polarforschung dem Publikum verständlich und greifbar vermittelt werden. Die Entdeckung von Franz-Josef-Land durch die österreichisch-ungarische Nordpol-Expedition von Julius Payer und Carl Weyprecht vor 150 Jahren wird einen weiteren Schwerpunkt bilden. Der APRI-Vorstand Dr. Peter Schweitzer wies in seinen Grußworten auf Weyprechts Inititative zum ersten Polarjahr 1882 – 1883 hin, wodurch der Startschuss für die internationale Arktisforschung erfolgt war und damit auch die Grundlage für die ASSW23 geschaffen worden war. Der Präsident des International Arctic Science Committees (IASC) Henry Burgess würdigte den wunderbaren kulturellen Rahmen und wies auf die Wichtigkeit einer internationalen Arktisforschung hin. Die klassische Musik eines Geigenduos zusammen mit köstlichem Finger Food und erlesenen Getränken ließ rasch das Eis zwischen den WissenschaftlerInnen brechen. Es tat gut, die vielen lachenden und erfreuten Gesichter bei Umarmungen nach Jahren virtueller Konferenzen zu sehen.
Icebreaker Event im Naturhistorischen Museum Wien
Pressekonferenz
Vor der Eröffnung des wissenschaftlichen Programms am Dienstag, 21.2., lud das APRI die österreichischen Medien zu einer Pressekonferenz an die Universität Wien in den Elise-Richter-Saal ein. Dieser Saal bot ein gutes Ambiente, war er doch auch ein Ort, wo sich Wissenschaft und Kunst in der Ausstellung „The Arctic in the Anthropocene“ trafen. Das österreichische Fernsehen ORF berichtete in mehreren Nachrichtensendungen über die Arktiskonferenz, und Online- und Printmedien gaben dem Ereignis gebührenden Raum, um über höchst aktuelle Themen wie die Wechselwirkung zwischen Arktis und Klimaerwärmung zu berichten; erwärmt sich die Arktis doch derzeit etwa viermal stärker als der Rest der Welt. In der Pressekonferenz gab es vier Kurzstatements zu den Kernthemen der Konferenz: APRI-Direktor Wolfgang Schöner erläuterte, warum sich Österreich seit der Payer-Weyprecht Expedition vor 150 Jahren in der Arktisforschung engagiert und ab Sommer 2023 sogar eine eigene Polarforschungsstation „Sermilik“ in Ostgrönland betreiben wird. Prof. Paul Wassmann von der norwegischen arktischen Universität Tromsö wies in seinem Kurzstatement auf die Bedeutung des arktischen Ozeans für das Weltklima hin. Für den Erhalt des grönländischen Eisschilds stuft er die bestehenden Treibhausgase in der Erdatmosphäre bereits für zu hoch ein. Es gehe daher vorrangig darum, das Auftauen des Permafrostbodens zu verhindern, der die doppelte Menge an Treibhausgasen, wie derzeit bereits in der Erdatmosphäre enthalten sind, freigeben könnte. Er wurde im Rahmen der ASSW23 für sein Lebensforschungswerk mit der IASC-Medaille gewürdigt. Privatdozentin Birgit Sattler von der Universität Innsbruck wies mit Ihrem Kurzstatement auf die Müllsituation in der Arktis hin. „Das Plastik ist gekommen um zu bleiben“ – der Plastikmüll wird aus den Industriegebieten außerhalb der Arktis durch Wind, Flüsse und Meeresströmungen in die unberührt wirkenden Landschaften verfrachtet. Die Forschung über die Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzengesellschaften ist daher entscheidend, um Entschärfungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Makroplastik wird zu Mikroplastik und dann zu Nanoplastik, das bis in die Blutbahnen von Säugern und Fischen gelangen kann. Landet es auch im Gehirn, gibt es weitreichende Auswirkungen für die Gesundheit und Fortpflanzungsfähigkeit. Privatdozentin Gertrude Saxinger von den Universitäten Wien und Bern gab den EinwohnerInnen der Arktis eine Stimme, die nach der Kolonialisierung des 17. – 19. Jhs. nun von einer neuen Kolonialisierungswelle betroffen sind, bei der sie je nach Region nach wie vor zu wenig angehört werden. Es leben ca. 5 Mio. Menschen in der Arktis. Die grüne Revolution greift auch nach den Ressourcen der Arktis, die für die Dekarbonisierung der Industriegesellschaften benötigt werden. Nur unter der Berücksichtigung der Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung kann das eine ganzheitliche und nachhaltige Entwicklung werden.
Pressekonferenz im Elise Richter Saal
„Das Plastik ist gekommen um zu bleiben“ – der Plastikmüll wird aus den Industriegebieten außerhalb der Arktis durch Wind, Flüsse und Meeresströmungen in die unberührte Landschaft verfrachtet.
Birgit Sattler, APRI-Vorstandsmitglied
Konferenzeröffnung
Die feierliche Eröffnung der Wissenschaftskonferenz fand im Audimax der Universität Wien mit Video-Grußworten des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Martin Polaschek, der Universitätsrektorin Manuela Baccarini, dem IASC Präsidenten Henry Burgess und dem APRI-Direktor Wolfgang Schöner statt. In der Eröffnungs-Key-Note betrachtete Dr. Peter Schweitzer vom APRI die Frage, wie viele Arktisteile es gibt: Eine, zwei oder viele? 50% der Arktis liegen in russischen Gebieten, die durch die aktuelle weltpolitische Lage von der Forschung ausgeschlossen sind. Die Forschungsthemen sind aber überregional, was nicht ohne Defizite ablaufen würde. Neue Wege der Zusammenarbeit werden daher zu suchen sein.
Eindrücke von der Eröffnung im Audimax
Kunst
Es wurden verschiedene Ausstellungen von TeilnehmerInnen organisiert. Die Ausstellung „The Arctic in the Anthropocene“ wurde vom APRI in Zusammenarbeit mit verschiedensten KünstlerInnen kuratiert, die alle ihre langjährige persönliche Verbindung mit der Arktis haben. Fridolin Walcher aus Glarus in der Schweiz berührte die Besucher mit seinen hängenden Textilbildern, die im Vorbeigehen in Bewegung gerieten und damit die Verletzlichkeit der Eis- und Gletscherwelten vermittelte. Gloria Rech aus dem Trentino in Italien malt naturreale arktische Landschaften in den Abstufungen der arktischen Farben Weiß, Blau und Grau. Tief fasziniert vom Konzept des Gleichgewichts der Ökosysteme versucht sie in ihren Werken die lebenswichtige Verbindung des Menschen mit dem Ganzen auszudrücken. Marco Nescher aus Liechtenstein faszinierte mit außergewöhnlichen Fotos, die vor allem die Vulnerabilität des grönländischen Eisschildes im Fokus haben: Zig-meterhohe Wasserfallkaskaden im sommerlichen Inglefield Land zeigten, dass der Klimawandel selbst auf 80° Nord das Inlandeis massiv zum Abschmelzen bringen kann. Und sein überdimensionaler SW-Textildruck vom Elefantenfußgletscher im Osten von Nordgrönland vermittelte eindrücklich die Weite und Ästhetik arktischer Landschaften. Der APRI-Wissenschaftler Klemens Weisleitner machte mit seiner Installation „The Pristine Arctic“ betroffen, die er gemeinsam mit Birgit Sattler vom APRI konzeptionierte. Plastikteile, die er bei Forschungsaufenthalten in der kanadischen Arktis gesammelt hatte, baumelten den Besuchern vor der Nase und bestätigten Sattlers Aussage, dass das Plastik die Arktis erreicht hat, um über Jahrhunderte dort zu bleiben. Der APRI-Media Officer Christoph Ruhsam gab mit seinen Leinwandpanoramen vor allem der Entdeckung von Franz-Josef-Land vor 150 Jahren Raum. In Videoinstallationen konnte man unter anderem den massiven Rückgang des sommerlichen Meereseises im arktischen Ozean verfolgen, dessen bisheriger Negativrekord im Jahr 2012 mit 50%-em Flächenverlust und 80%-em Volumenverlust gesetzt wurde.
Virtueller Gang durch die Kunstausstellung „The Arctic in the Anthropocene“
Kunstausstellung „The Arctic in the Anthropocene“
Die Ausstellung „Arctic InfraScapes“ präsentierte Zwischenergebnisse mehrerer laufender Forschungsprojekte, die sich auf die Arktis und ihre Infrastrukturen konzentrieren. Sie zeigt Artefakte, die in Zusammenarbeit von Künstlern und Wissenschaftlern geschaffen wurden. Ihre Semiotik entwickelt sich durch visuelle und verbale Kommunikationsformen, die auf verschiedenen Darstellungen von Entfernung, Zeit und Raum innerhalb des ontologischen Rahmens der arktischen Infrastrukturen beruhen. Indem sie mit verschiedenen Arten von Schichten in Raum und Zeit arbeiten, erschaffen Künstler und Wissenschaftler gemeinsam neue Bedeutungen und Formen visueller Erzählungen als Teil des transmedialen Geschichtenerzählens.
Die Ausstellung ist Teil des Programms, das von Vera Kuklina (George Washington University, USA) und Olga Povoroznyuk (Universität Wien und Österreichisches Polarforschungsinstitut, Österreich) in Zusammenarbeit mit Partnerprojekten im Rahmen des Programms organisiert wird, das die vielfältigen Möglichkeiten der Konvergenz von Kunst, Wissenschaft und lokalem und indigenem Wissen (ArtSLInK) präsentiert. Es kombiniert wissenschaftliche Sitzungen, einen runden Tisch und eine Ausstellung.
Kunstausstellung „Arctic InfraScapes“ von Vera Kuklina (George Washington University, USA) und Olga Povoroznyuk (Universität Wien und Österreichisches Polarforschungsinstitut, Österreich)
Konferenz Gala Dinner
Das Gala Dinner fand im Rathaus von Wien statt. Der Wiener Landeshauptmann würdigte in seinen von einem Vertreter gesprochenen Grußworten die Verbindung von Österreich mit der Arktis und deren Erforschung. Bei Klaviermusik und einem Buffet nach österreichischer Tradition wurde bis in die Nacht hinein vieles Gemeinsames gefunden und gefeiert. Die Architektur des Rathauses beeindruckte viele Gäste. So auch Aishah „Paniinguar“ Bint Amiri Yamani von der University of Alaska, Anchorage. Sie zog mit ihrem bunten Seidenkimono die Augen auf sich und bedankte sich wie viele andere KonferenzteilnehmerInnen mit einem Eintrag im ASSW23-Gästebuch.
Gala Dinner im Rathaus Wien
Der Dank geht and die Veranstalter für das gelungene Gesamtkonzept: Universität Wien, das unermüdliche 24/7-„Ask me anything“-Service des Studenten-Komitees, dem IASC, dem APRI, dem NHM sowie der Stadt Wien.
Die Latte für die nächste ASSW 2024 in Edinburgh liegt hoch!
Bis zur ASSW24 in Edinburgh! (Copyright Studenten-Komitee, Universität Wien)
Media information
Verfasst von Christoph Ruhsam, APRI Media Officer.
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Alle Fotos wenn nicht anders angegeben: © Christoph Ruhsam, www.pure-landscapes.net
Über die ASSW23
Alle Details zur ASSW23 finden sich hier.