Die Geschichte der Entdeckung von Franz-Josef-Land vor 150 Jahren ist mit dem Beginn österreichischer Polarforschung eng verbunden und lieferte einen entscheidenden Impuls zur Etablierung internationaler Polarforschung. Teil 1 führt über die Theorie des offenen Polarmeeres in die „Schrecken des Eises und der Finsternis“.
Franz-Josef-Land liegt in Russland östlich von Spitzbergen und westlich von Nowaja Semlja, der Inselfortsetzung des Ural. Die südlichste Insel liegt auf ca. 80°, die nördlichste Insel liegt auf fast 82° Nord.
Lage von Franz-Josef-Land in der eurasischen Arktis
Auf Satellitenbildern sieht man die starke Strukturierung aus 191 Inseln, die größtenteils vergletschert sind. 85% der rund 16.000 km2 sind vergletschert, das sind ca. 14.000 km2. Dazwischen liegt zumeist Treibeis des Polarmeeres. Das Klima ist maritim arktisch mit ganzjährig tiefen Temperaturen. Die wärmsten Monate sind Juli und August, aber auch da bleibt die Temperatur nur knapp über dem Gefrierpunkt. Der Niederschlag ist gering – eine polares Wüstenklima – der fast immer in Form von Schnee fällt und die Gletscherkappen nährt. Franz-Josef-Land war nie von einer einheimischen Bevölkerung besiedelt. Nach der Entdeckung durch die österreichisch-ungarische Nordpolexpedition unter Julius Payer und Carl Weyprecht in den Jahren 1872 – 1874, zog es viele Expeditionen an. Seit dem 20. Jh. wurden einige wissenschaftliche Forschungsstationen errichtet. In der Zeit des kalten Krieges hat das russische Militär Stützpunkte gebaut und den Archipel abgeschottet. Erst ab 1990 konnte Franz-Josef-Land für ca. 25 Jahre wieder von westlichen Expeditionen angelaufen werden. Ab dem Russland-Ukraine Konflikt wurde es wieder zur Sperrzone.
Meine ganz persönliche Beziehung zu Franz-Josef-Land wurde durch eine Expeditionsreise 2012 geprägt. Dieses Jahr war von einem völlig meereisfreien Archipel geprägt und ließ mich zum Zeugen der geringsten sommerlichen Meereisbedeckung seit dem Beginn von Satellitenmessungen ab 1979 werden. Franz-Josef-Land beeindruckt als hocharktische Landschaft und als fragiles Ökosystem.
Expedition Franz-Josef-Land im Jahr 2012 mit der geringsten Meereseisbedeckung (© Christoph Ruhsam)
Durch den Zusammenbruch des sommerlichen Meereisststandes um 50% konnte das eisverstärkte Schiff bis zum 83. Grad vordringen. Noch entscheidender war, dass das Eisvolumen gegenüber 1979 um 80% abgenommen hat, was die fundamentalen klimatischen Veränderungen der Neuzeit erfahrbar machte.
Polarforschung im 19. Jahrhundert
Die Theorie eines eisfreien Polarmeeres prägte die Vorstellung der Geografen in den 1870er Jahren und war einer der Gründe für die Payer-Weyprecht-Expedition. Der deutsche Geograph August Petermann hat in den 1850er Jahren diese Theorie aufgestellt. Er postulierte, dass der Golfstrom an Norwegen vorbei sehr weit hinauf nach Norden und entlang der sibirischen Küste das Meer offenhalten sollte. Die Erfahrungen der vielen Expeditionen der ersten Hälfte des 19. Jh., z.B. von dem Briten John Franklin, lieferten gegenteilige Erfahrungen. Schiffe sind vom Eis zerdrückt worden und viele Menschen kamen in der Kälte des polaren Winters um. Was sich durch Payer-Weyprecht als falsch herausstellte, beginnt nun im 21. Jahrhundert durch den Klimawandel Realität zu werden. Petermann konnte jedoch die Wissenschaft überzeugen, dass es nur gelingen müsse, die Eisbarriere, die sich wie ein Ring um das Polarmeer lege, zu durchbrechen. Das war die Motivation für viele Expeditionen.
Petermann initiierte 1868 die erste deutsche Nordpolarexpedition unter Leitung von Kapitän Carl Koldewey. Er segelte nach Spitzbergen und weiter nach Nordostgrönland, blieb aber letztendlich im Eis stecken. Das war für Petermann der Anlass, die zweite deutsche Nordpolarexpedition 1869-70 zu initiieren. Die Leitung erging wieder an Carl Koldewey, diesmal mit Julius Payer als österreichisch-ungarischem Offizier an Bord. Seine Erfahrung als Alpinist und Vermesser der Südtiroler Alpen im Ortlergebiet und in der Adamellogruppe sollten helfen, neu entdeckte Länder topografisch zu erfassen. Die Expedition aus zwei Schiffen kämpfte bald wieder mit dem Eis. Ein Schiff sank und die Mannschaft musste auf einer großen Treibeisscholle viele Monate lang ausharren, bis sie an der Südspitze Grönlands gerettet wurde. Payers Schiff fror im Nordosten Grönlands fest. Er nützte die Gelegenheit für Schlittenexpeditionen und benannte die erforschten und kartografierten Gebiete nach österreichischen Namen wie „Kaiser-Franz-Joseph-Fjord“ und „Pasterze“ sowie „Großglockner“. Petermann warb danach für eine weitere Expedition und brachte dafür Julius Payer und Carl Weyprecht zusammen. Daraus wurde die große Nordpolarexpedition der österreichisch-ungarischen Monarchie. Ein Komitee zur Finanzierung der Expedition wurde gegründet. Graf Hans Wilczek war als Kohlebaron eine der wohlhabendsten Personen im Kaiserreich und finanzierte den Großteil der Expedition, Kaiser Franz Josef hingegen tat dies nur mit einem geringen Anteil. Carl Weyprecht übernahm als österreichisch-ungarischer Marineoffizier die Schiffsverantwortung, Expeditionsleiter zu Land wurde Julius Payer.
Der Expeditionsverlauf im Überblick
Wenn ein offenes Polarmeer wirklich existierte, so wollte man die Eisbarriere durchbrechen und entlang der sibirischen Küste bis zur Beringsee segeln, mit einem Abstecher zum Nordpol. Die Befahrung der Nordostpassage war aus wirtschaftlichen Gründen hochinteressant, da sie mit ca. 14.000 km viel kürzer war als die rund 21.000 Kilometer lange Strecke nach Asien über den 1869 eröffneten Suezkanal. Eine Vorexpedition im Jahr 1871 von Graf Wilczek auf dem Schoner „Isbjörn“ sollte die Eisverhältnisse östlich von Spitzbergen in der Barentssee erforschen. Aufgrund eines warmen Sommers konnte man relativ weit nach Norden vordringen und wichtige Erfahrungen im arktischen Eis sammeln.
Die Hauptexpedition startete am 13. Juni 1872 in Wien per Zug nach Bremerhaven, wo das Expeditionsschiff Tegetthoff lag. Als ersten Hafen wurde Tromsö in Nordnorwegen angelaufen. Weiter ging es bis an die Nordwestküste von Nowaja Semlja.
Das Eis wurde bald sehr dicht und schloss das Schiff ein, sodass es nicht mehr steuerbar war. Dieser Zustand dauerte 38 Tage, was etwas weniger als 5% der Gesamtexpeditionsdauer ausmachte. Der weitere Verlauf war bestimmt von den Meeresströmungen und von den Winden und setzte die Mannschaft 637 Tage lang den „Schrecken des Eises und der Finsternis“ aus. Ohne Verbindung zur Außenwelt verbrachte man fast 80% der gesamten Reise in Passivität und driftete dem Zufall überlassen Richtung Franz-Josef-Land, das am 30. August 1873 zum ersten Mal gesichtet wurde. Aber erst im März 1874 konnte Payer mit Hundeschlitten das Land erforschen. In den 37 Tagen der Landexpeditionen war Payer ganz in seinem Element. Es wurde bald klar, dass das Schiff nicht mehr vom Eis freikommen würde. Man entschlossen sich daher, es im Mai 1874 aufzugeben und in einer enormen Anstrengung die Ruderboote auf Schlitten Richtung Süden zu ziehen. Nach 87 Marschtagen erreichte man die Eisgrenze und konnte die Boote zu Wasser lassen. In 9 Tagen ruderte man über die raue Barentssee bis nach Nowaja Semlja und entlang der Westküste Richtung Süden, bis man zufällig auf russische Fischer stieß, die die Mannschaft nach Vardö in Norwegen brachten, wo sie nach 2 ½ Jahren eisiger Isolation ein erstes Telegramm an die übrige Welt senden konnten: Wir leben und haben ein neues Land, Franz-Josef-Land, entdeckt!
„Ausgedehnte Länder entdeckt … Mai unhaltbares Schiff verlassen. Nach 96-tägiger Schlittenbootreise … russischen Schoner getroffen. Krisch gestorben … Rest der Mannschaft vortrefflich.“
Carl Weyprecht, 4.9. 1874
Das Expeditionsschiff
Die Tegetthoff ist speziell für dieses Unternehmen auf der Werft von Tecklenborg nahe Bremerhaven gebaut worden. Mit 220 Tonnen, 34 Metern Länge und einer 100 PS Dampfmaschine setzte sie neue Maßstäbe. Sie war für 24 Personen ausgestattet. Zusätzlich nahm man 8 Schlittenhunde mit, um über das Meereis Expeditionen machen zu können. Das Schiff wurde für 3 Jahre mit Proviant versorgt. Um Skorbut vorzubeugen, hatte man Gemüse in Dosen und Zitronensaftkonzentrat mit. Die Jagd auf Eisbären und Robben für ausreichend frisches Fleisch war ein wesentlicher Teil der Versorgung. Die Mannschaft wurde größtenteils aus den dalmatinischen Landesteilen der Monarchie rekrutiert, da man dem heiteren Temperament der Südländer mehr als den Nordländern zutraute, das lange Verweilen in Eis und Polarnacht ohne Depression zu überstehen. Als einziger Norweger war Elling Carlsen an Bord, der als Eislotse einen wichtigen Dienst leistete und den Rang eines Offiziers genoss.
Die Schrecken des Eises und der Finsternis
Am 14.7.1872 verließ man Tromsö Richtung Nordosten, mit Elling Carlsen
als 24. Expeditionsmitglied an Bord. Schon am 30.7. traf man zum ersten Mal auf Eis. Graf Wilczek war gleichzeitig mit der Isbjörn unterwegs, um ein Depot für Notfälle anzulegen. Zufällig trafen die beiden Schiffe im Eis zusammen und man legte am 15.8. auf Nowaja Semlja geschützt vor Eisbären gemeinsam das Depot in einer Felsspalte bei den „Drei Särgen“ an. Gerade rechtzeitig trennten sich die Schiffe, Wilczek segelte zurück nach Süden, die Tegethoff setzte die Reise in den Norden fort, bevor die „Petermannsche Eisbarriere“ schon am 21.8. das Schiff einschloss, sodass man nicht mehr weiter segeln konnte. Auch die Dampfmaschine war zu schwach, um das Schiff anzutreiben, das nun hilflos den Strömungen und Winden ausgesetzt war.
Damit begannen die „Schrecken des Eises und der Finsternis“, denen Christoph Ransmayr das gleichnamige Buch gewidmet hat. Im September begann die Mitternachtssonne unter dem Horizont zu verschwinden und im Oktober musste man sich auf die erste Polarnacht vorbereiten. Das Schiff saß fest im Eis und war häufig massiven Eispressungen ausgesetzt. Dabei wurde es gehoben und gedrückt, was furchtbare Geräusche an den Holzwänden verursachte. Versuche, die sich um das Schiff aufbauenden Eiswälle abzuwehren, schlugen fehl. Man hatte Sorge, dass das Schiff zu Schaden kommen würde. Aus den Kohlevorräten wurde ein provisorisches Haus gebaut, um Proviant und andere wichtige Gerätschaften für den Fall eines Schiffuntergangs in Sicherheit bringen zu können. Es war für die ganze Mannschaft eine sehr deprimierende Zeit mit tiefen Temperaturen bis –50°C. Das Schiff war schlecht heizbar. Die Benutzung der Kojen wurde daher in einem Zyklus getauscht, um besonders kalte oder feuchte Kojen nicht nur einzelnen Personen zuzumuten.
Tagesroutine in winterlicher Monotonie
Es gab einen stark strukturierten Tagesablauf, den Weyprecht vorgab. Sonntägliche Messen mit Bibellesungen sollten der Mannschaft Mut zusprechen und verhindern, dass es zu Meuterei oder Depressionen kam. Eine wichtige Betätigung war die Jagd. Einerseits, um sich mit frischem Fleisch von Eisbären ernähren zu können. Zum anderen als Zeitvertreib, da alle sehr jagdlustig waren. Man schoss über den gesamten Zeitraum von ca. 2 ½ Jahren 67 Eisbären, auch wenn man nicht alle für die Ernährung gebraucht hat. Nach Weihnachten und Silvester im Eis war Anfang Februar der östlichste Punkt der Drift erreicht. Durch die Drift nach Nordwesten wurde klar, dass die Nordostpassage nicht durchfahren werden konnte. Um die Stimmung hochzuhalten, wurde ein Karnevalstag gefeiert, an dem sich jeder verkleidete und an dem als Prämierung ein heißer Grog ausgeschenkt wurde. Ganz entscheidend war die Rückkehr der Sonne Mitte Februar. Das Eis lag meterdick in Wällen um die Tegetthoff, die erstiegen wurden, um die Sonne möglichst früh wieder sehen zu können. Sonne, Licht und Wärme, wenn auch nur im Herzen, war für die Stimmung wichtig. Das Frühjahr brachte ab Mai manchmal Tauwetter und die Hoffnung auf das Freiwerden des Schiffes stieg.
Land, Land, endlich Land!
Im August 1873 war man in die Nähe von Franz-Josef-Land getrieben. Aufgrund großer Eisberge mit Geröll darauf vermutete man, dass es Land in der Umgebung geben müsse, mit großen Gletschern und Moränen. Im Sommer mit wenigen Plusgraden und teilweise offenem Wasser bildet sich dort häufig dichter Nebel. Am 30.8. wurde dann Franz-Josef-Land unerwartet zum ersten Mal gesichtet. Als die verschneiten, alpin anmutenden Berge aus dem Nebel hervorbrachen, riefen alle laut: „Land, Land, endlich Land!“ Man gab dem neu entdeckten Land den Namen des Kaisers. Es dauerte jedoch 2 Monate, bis zum 1. November, bis die nächstgelegene Insel über das Eis, das häufig durch Wasserstraßen unterbrochen war, erreicht werden konnte. Man benannte diese nach Graf Wilczek „Wilczek-Insel“.
Payer deponierte eine Flaschenpost mit den Daten der Expedition in einer aufgeschichteten Steinpyramide. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR und der Möglichkeit für westliche Expeditionen, wieder nach Franz-Josef-Land reisen zu können, entdeckte 1991 die Deutsche Expedition von Arved Fuchs das Originalschreiben und übergab es an das Schifffahrtmuseum in Bremerhaven. Es verwundert, dass das Schreiben nicht an die österreichische Regierung übergeben wurde. Die zweite Polarnacht machte weitere Landexpeditionen unmöglich und brachte die bekannten Mühsale mit sich. Allerdings waren die Eispressungen nun in der Nähe des Landes um einiges geringer. Trotzdem war das Schiff stark gekippt und die Sorge, bei einem Sturm zerdrückt zu werden, blieb. Zu den täglichen Routinearbeiten gehörten in allen Jahren wissenschaftliche Untersuchungen, die man absolut regelmäßig vornahm: Meteorologische Daten, Temperaturmessungen, Meeresströmungsmessungen, Tiefenlotungen, magnetische und Polarlichtbeobachtungen. Man bohrte Löcher ins Eis und maß die Dicke. Im Mondlicht einiger klarer Nächte konnte man immer wieder an Land gehen, aber die Temperaturen waren tief und verhinderten längere Ausflüge.
Schlittenexpeditionen bis zum nördlichsten Punkt
Am 10. März 1874 wurde die erste Schlittenreise unternommen. Payer als Expeditionsleiter zu Land erkundete mit einer kleineren Gruppe das Landesinnere und benannte das Kap auf der Hall Insel „Kap Tegetthoff“. Das Material für die 6 Tage wurde auf Schlitten von einigen Hunden und den Expeditionsteilnehmern gezogen. Über offene Wasserstraßen mussten Umwege gemacht werden, bis man auf den „Sonnklargletscher“ stieß und ihn bestieg. Das Schiff lag relativ unbeweglich vor der Wilczek Insel, sodass eine Rückkehr zum Schiff kein großes Risiko darstellte.

Kap Tegetthoff, Hall Insel (Julius Payer)
Ein dramatisches Ereignis war am 16. März der Tod des Maschinisten Otto Krisch. Er war der einzige Mann, der auf der Expedition starb. Er litt an Tuberkulose und unter einseitiger Ernährung. Unglaublich, dass die jahrelangen Strapazen von allen anderen so gut ertragen wurden! Man hat versucht Kresse unter dem Licht von Petroleumlampen anzubauen, was nur bedingt funktioniert hat. Krischs Lunge war zu schwer angegriffen. Sein Tagebuch zeigt die Monotonie der Expedition, oft nur in Stichworten. Nach katholischer Tradition Österreich-Ungarns wurde er auf der Wilczek Insel beigesetzt.
Payers große Zeit war dann die zweite große Schlittenexpedition vom 26. März bis zum 12. April 1874. Während dieser kamen sie bis zum nördlichsten Punkt, Kap Fligely, auf der Kronprinz Rudolf Insel. Er wählte 6 geeignete Männer aus der Mannschaft aus, um diese herausfordernde Expedition mit tiefen Temperaturen, Sturm und Schneefall mit ihm durchzuführen. Einige Hunde und die Männer zogen die Schlitten über das unebene Eis der Sunde. Sie passierten die Insel Berghaus, das Kap Frankfurt, die Klagenfurt Insel, und die Wüllerstorf Berge auf Wilczek Land.
Ihr Weg Richtung Norden folgte dem breiten Austria Sund bis zur Wiener Neustadt Insel, der Payer im Gedenken an seine Ausbildungsstätte an der Militärakademie den Namen gab. Mit dem 620 m hohen Peak Parnass trägt sie die höchste Erhebung des ganzen Archipels. Das Kap Tyrol bestieg er mit den Tirolern über die riesigen Gletscher. Im Jahre 2005 wurde es von Christoph Höbenreich während der Payer-Weyprecht-Erinnerungsexpedition wieder erstiegen. Viele dramatische Erlebnisse wurden überlebt, von Erfrierungen bis hin zu Eismeerbädern, wenn man in einer Meereisspalte versank. Die nördlichste Insel wurde nach Kronpinz Rudolf benannt, dem Thronfolger, der auch wissenschaftlich sehr interessiert war. Wegen seiner liberalen Ansichten hatte sich Rudolf nicht mehr mit den Vorstellungen seines Vaters identifizieren können. 1889 erschoss er sich mit seiner Geliebten Mary Vechera im Jagdschloss Mayerling, Niederösterreich. Kaiser Franz Josef ließ das Schloss daraufhin zu einem Karmelitinnenkloster umbauen, mit der Auflage, für die verlorenen Seelen der beiden Sühne zu leisten.
Da ein Teil der Gruppe bereits zu schwach war, um die Strapazen weiter durchzustehen, wurde für diese ein Lager bei der Hohenlohe Insel errichtet. Payer stieß mit 4 weiteren Personen über das vergletscherte Landesinnere der Rudolf Insel weiter nach Norden vor. Der Matrose Zaninovic stürzt dabei in eine Gletscherspalte. Man musste zurück zur Hohenlohe Insel, um Hilfe und ein Tau zu holen. Der erfahrene Alpinist Johann Haller aus Tirol konnte damit Zaninovic sowie den Schlitten und die Hunde retten.
Danach folgte man dem Küstenverlauf bis zum nördlichsten Ende des Archipels am Kap Fligely. Payer glaubte jedoch, im Norden weitere Inseln zu sehen: „Kap Wien“ auf dem „Petermann Land“ und das „König Oscar Land“. Spätere Expeditionen, wie jene von Fridtjof Nansen, konnten aber keinerlei Inseln sichten. Payer war vermutlich durch Wolkenbänke getäuscht worden. Aber auch hier am nördlichsten Ende Eurasiens gab es bis auf küstennahe Wasserstraßen nicht das von Petermann postulierte offene Polarmeer. Man hisste die österreichisch-ungarische Flagge und deponierte eine Nachricht in einer aufgeschichteten Steinpyramide. Danach ging es den gleichen Weg rasch zurück zum Schiff, in der Hoffnung noch vor dem großen Tauen im Frühling dieses wieder zu erreichen. Das Schiff war in der Nahzone des Archipels ortsfest geblieben. Wie dramatisch wäre es gewesen, wenn das Schiff in der Zwischenzeit weg gedriftet und nicht mehr auffindbar gewesen wäre!
Die letzte kurze Schlittenexpedition führte Payer in Richtung Westen. Auf dem Simony-Gletscher, benannt nach dem Erforscher des Dachsteingebirges Friedrich Simony, sichteten sie die Richthofenspitze und den Markham Sund.
Rückmarsch zum offenen Meer
Das Schiff konnte im Laufe des Frühjahres nicht vom Eis befreit werden. Sie sahen Wasserstraßen im Süden, konnten diese aber trotz aller Versuche, das Schiff frei zu sägen oder das Eis zu sprengen, nicht erreichen. Am Beginn des arktischen Sommers wurde beschlossen, das Schiff zu verlassen, welches schon leckte. Am 20. Mai machte man sich auf drei Schlitten, beladen mit den Ruderbooten, die von der Mannschaft gezogen wurden, Richtung Süden auf. Oft mussten sie wegen der hohen Eispresshügel den Weg mehrfach gehen, um alle Schlitten nachzuholen. Man entdeckte dabei die südlichste Insel, die Lamont Insel. Es wurden einige Nachrichten per Flaschenpost deponiert, in der Hoffnung, dass man diese zu ihrer Rettung finden würde, oder dass im Falle, dass sie nicht zurückkämen, zumindest eine Nachricht von der Entdeckung gefunden würde. Erstaunlicherweise wurde diese Nachricht in den 1970-er Jahren von einem russischen Wissenschaftler gefunden und an Österreich weitergegeben, wo sie an der Akademie der Wissenschaften aufbewahrt wird.
Am 4. Juni waren sie immer noch so nahe am Schiff, dass sie es gut am nördlichen Horizont sehen konnten. Sie gingen wiederholt zurück, um Proviant zu holen. Deswegen kam es zwischen Payer und Weyprecht wiederholt zu Auseinandersetzungen. Man hatte alle Energie verloren. Als Payer im Alter Maler wurde, verarbeitete er diese Situation in historisch-heroischen Gemälden wie „Die verlassene Tegetthoff“ (Naturhistorischen Museum Wien) und „Niemals zurück“. Weyprecht ermahnte darauf die marode Mannschaft, nicht mehr zum Schiff zurückzukehren, sondern konsequent nach Süden zu marschieren. Nur dort könnten sie Rettung erhoffen. Von Ende Mai bis Ende August, das sind 87 Tage lang, kämpften sie, ohne es zu wissen, gegen starke Meeresströmungen an und wurden immer wieder zurückgetrieben. Als sie endlich die Boote endgültig zu Wasser lassen konnten, hatten sie 550 km über das Eis zurückgelegt, für eine reale Strecke von nur 220 km!
Nachdem sie die Eiskante erreicht hatten, dauerte es 9 Tage, um über das Meer nach Nowaja Semlja zu rudern. Dabei verloren die Boote einander im Nebel und konnten auch das Proviantdepot bei den „drei Särgen“ nicht finden. Sie ruderten weiter Richtung Süden in der Hoffnung auf Rettung. Es war schon spät im Sommer, und die Wahrscheinlichkeit, noch jemanden so spät anzutreffen, war gering. In der Dunen Bay trafen sie dann doch auf russische Fischer. Man hatte Signale gegeben und wurde herzlichst aufgenommen. Für ihre Rettung forderte man dann 1000 Rubel und alle Ruderboote. Kapitän Voronin brachte sie nach Vardö in Nordnorwegen, wo man am 4. September 1874 landete. Carl Weyprecht sendete ein Telegramm in die Welt: „Wir leben, Land entdeckt! Krisch ist an Tuberkulose gestorben, Rest der Mannschaft gesund.“
Gloriose Rückkehr
Das Willkommen am 25. September 1874 in der Heimatstadt Wien wurde zu einem Nationalfest. Sie wurden als die großen Helden empfangen. Die gesamte Medienwelt der Monarchie berichtete über die Ereignisse. Sie wurden heroisch in Szene gesetzt, mit Audienz beim Kaiser und vielen Banketten. Die Bevölkerung war bewegt über die Dramen der Expedition, die sie bald im Würfelspiel „Wir reisen ins Kaiser-Franz-Josef-Land“ nachvollziehen konnte. Österreich-Ungarn wurde zum wichtigen Mitspieler in der Erforschung der Arktis.

Im zweiten Teil dieses Beitrages zur Entdeckung von Franz-Josef-Land vor 150 Jahren werden die wissenschaftlichen Ergebnisse, die Internationalen Polarjahre und Österreichs Anteil an der Franz-Josef-Land-Forschung nach dem kalten Krieg bis hin zum Bau der österreichischen Polarforschungsstation „Sermilik“ in Ostgrönland dargestellt.
Media information
Verfasst von Christoph Ruhsam.
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Stiche aus: Julius Payer, „Nordpol–Expedition in den Jahren 1872 – 1874“, Alfred Hölder, k.k. Hof- und Universitäts-Buchhändler, Wien 1876
Titelbild: Anonym (nach Wilhelm Burger, Graf Hans Wilczek: „Die Tegetthoff im Eis“, Glasdia nach Fotomontage, IMAGNO)
Über den Autor
Christoph Ruhsam ist Media Officer des Austrian Polar Research Institutes. Er konnte 2012 nach Franz-Josef-Land reisen und vermittelt als passionierter Landschaftsfotograf seine Expeditionserfahrungen im Buch Frozen Latitudes. APRI-Direktor Wolfgang Schöner stellt darin die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge zwischen der Kryosphäre und dem Klima dar.