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Der große Erdrutsch von Assapaat im Juni 2021 auf der Nuussuaq Halbinsel in Westgrönland, ist ein Resultat des auftauenden Permafrostbodens. Das zeigt eine aktuelle Studie, an der APRI-Forscher Daniel Binder vom Geological Survey of Denmark and Greenland (GEUS) beteiligt war.

Der große Erdrutsch in Form einer gefrorenen Schuttlawine ereignete sich am 13. Juni 2021, um 04:04 Uhr Ortszeit in Westgrönland an der Südküste der Halbinsel Nuussuaq bei Assapaat, gegenüber der Diskoinsel.

Lage des Erdrutschereignisses und historischer Erdrutsche in Vaigat (rote Polygone), dargestellt auf einer vereinfachten geologischen Karte.

Hintergründe

Die Aufzeichnungen von Erdrutschen in den Polarregionen sind aufgrund der Abgeschiedenheit und der dünnen Besiedlung dieser Gebiete unvollständig. In den letzten Jahren bemüht man sich einerseits historische Erdrutsche zu recherchieren und andererseits Erdrutsche aus der Jetztzeit komplett zu erfassen. Durch die Analyse aktueller und historischer Ereignisse konnten Datenlücken über Deformation und Versagen von Berghängen geschlossen werden. Gerade die Effekte des Klimawandels spiegeln sich eindrücklich in den Erdrutschen wider, die durch auftauenden Permafrost bedingt sind. Grundsätzlich spricht man von Permafrost, wenn die Temperatur des Bodens in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Jahren unter null Grad Celsius liegt. Das sind Bedingungen, die auch in den hohen alpinen Regionen zu finden sind. Das gegenwärtige Klima in Westgrönland ist arktisch. Daher findet man hier Permafrostböden, wobei speziell die Situation in Hanglagen, die einen anderen Sonneneinstrahlwinkel haben, noch wenig erforscht ist. Die Erfassung und insbesondere die genauere Erforschung der Rutschvorgänge und der dahinter liegenden Ursachen sind von großer Bedeutung für die Sicherheit der grönländischen Bevölkerung und natürlich für die Klimaforschung.
Auch unweit des untersuchten Erdrutsches gab es in näherer Vergangenheit zwei weitere Rutschereignisse, die jedoch weniger genau beschrieben sind.

Folgen

Eine mit den Erdrutschen einhergehende Gefahr ist einerseits die mögliche Verwüstung von Ansiedlungen durch die Erd- und Gesteinsmassen oder durch tsunamiartige Wasserwellen, die durch die plötzlich in das Meer rutschenden Geröll- und Schlammmengen entstehen.

Die untersuchten Hänge entlang der Vaigat Strasse zwischen Nuussuaq und Diskoinsel stellen ein Hochrisikogebiet für derartige Tsunami-verursachende Hangrutschungen dar. 1952 und 2001 sind Erdrutsche von größerem Ausmaß dokumentiert. 2021 ereignete sich eine noch wesentlich größere Rutschung. Das Gebiet wurde vom Hubschrauber aus bereits zwei Jahre zuvor mittels Fotoaufnahmen sehr gut dokumentiert und auch die ersten Rissbildungen konnten beobachtet werden. Die Publikation beschreibt die detaillierten Ereignisse aus den verfügbaren Daten von Feldbeobachtungen, Fotos, Fernerkundung und seismischer Überwachung.

 

Fotos des Abgangbereiches vor dem Ereignis in zwei verschiedenen Jahren.
Fotos von der Hangrutschung aus verschiedenen Perspektiven

Ergebnisse

Die Analyse der erhobenen Daten in Kombination mit einem digitalen Höhenmodell vor und nach der Hangrutschung liefert zum ersten Mal eine genaue Beschreibung dieser Art von Erdrutschungen. Ein anschauliches Modell zur Entstehung des Hangrutsches zeigt die folgende Abbildung.

Modell der Entwicklung des Erdrutsches

Die gefrorene Schuttlawine begann mit dem Abbruch eines permafrostigen Schutthangs (6.9 Mio. m3) und des darunter liegenden Geschiebelehms, sog. Kolluvium in 600-880 m Höhe.

Hintergrundinformation: Kolluvium (lat.: das Zusammengeschwemmte): Lockersedimente aus durch Anschwemmung umgelagertem, meist lehmigem oder sandigem Bodenmaterial besteht, das  bis zu mehreren Dezimeter dicke Schichten bilden kann.

Auf den Fotos der Hangrutschung ist die Rissbildung deutlich zu erkennen. Ähnlich einem Schneebrett riss ein Volumen im Ausmaß von 18,3 Mio bis 25,9 Mio. m3 entlang seines 2,4 km langen Weges unter Mitnahme von zwei aufeinanderfolgenden Rutschungen ab.

Etwa 3,9 Mio. m3 sind schätzungsweise in die Meerenge von Vaigat abgegangen. Erstaunlicherweise wurde jedoch kein Tsunami gemeldet. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass in der zweiten Phase des Geschehens die teilweise gefrorene Schuttlawine aufgrund einer Abflachung der Hangneigung an Geschwindigkeit verlor. In der Studie wird die Hypothese aufgestellt, dass während des Abganges durch die Erwärmung der Permafrosteismatrix der Rutschvorgang sehr dynamisch verläuft. Wenn die Temperatur des Eises im Permafrostgeschiebe auf ein kritisches Niveau ansteigt verringert sich der Scherwiderstand. Dies führt zu einem instabilen Zustand und im Weiteren zum Kollaps des geneigten Schutthanges. Grundsätzlich liegt der Schluss nahe, dass die anhaltende Erwärmung der Arktis zu einer Zunahme von derartigen Erdrutschen führen wird.

Ausblick

Zur Überprüfung der Hypothese gilt es weitere Daten wie Niederschlag, Schneeschmelze, Boden- und Oberflächentemperatur zu erheben. Es ist daher wichtig, dass auch in Zukunft Forschungsmittel zur Verfügung gestellt werden, um die Veränderung der Erdrutschgefahr in der Arktis besser vorhersagen zu können. Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit Forschungsprojekten aus dem alpinen Bereich wichtig, da hier vergleichbare Probleme anstehen und Situationen mit verwandten Bedingungen zu einem tieferen Verständnis führen können.

Medieninformation

Geschrieben von Barbara Hinterstoisser, Mitglied des APRI-Media Teams.
Layout vom APRI-Media Team.
Kontakt: Nützen Sie unser Kontaktformular.
Bilder aus der original Publikation.
Header Bild Kristian Svennevig/GEUS.

Über den wissenschaftlichen Author

Daniel Binder, Universität Potsdam, ZAMG, GEUS, APRI Forschungsgruppe Greilinger.
Zugriff zum Original Paper.

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