Die Arktis hat sich in den letzten Jahrzehnten viel schneller erwärmt als jede andere Region der Welt. Die Analyse des Energiehaushaltes der Arktis liefert wichtige Hinweise auf die Prozesse hinter diesem deutlichen Erwärmungstrend.
Abbildung 1: Karte der Arktis und des Untersuchungsgebietes, begrenzt durch die roten Linien in den größten Wasserstraßen der Arktis.
Klimamodelle sollten zukünftige Veränderungen im Arktisklimasystem zuverlässig vorhersagen und quantifizieren können. Beim Blick auf die jüngste Vergangenheit lassen sich jedoch oft erhebliche Abweichungen finden, die voraussichtlich auch die Prognosen für die Zukunft beeinflussen. In einer kürzlich durchgeführten Studie versuchen wir festzustellen, welche Klimamodelle die komplexen Prozesse des Energiehaushaltes in der Arktis am besten darstellen können. Wir analysieren die simulierten Komponenten des Energiehaushaltes und ihre Verbindungen, um typische Modellabweichungen zu verstehen.
Klimamodelle
Klimamodelle sind anspruchsvolle Computersimulationen, die das komplexe Klimasystem der Erde nachbilden. Sie helfen zukünftige klimatische Bedingungen vorherzusagen, die potenziellen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf das Klima zu bewerten und Bereiche in Zeit und Raum zu beurteilen, in denen keine direkten Beobachtungen verfügbar sind. Klimamodelle sind unverzichtbare Werkzeuge für Wissenschaftler*innen, um die Dynamik des Klimasystems der Erde und dessen Veränderungen zu projizieren und zu verstehen und um politische Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Die komplexen Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Ozean und Meereis stellen eine erhebliche Herausforderung für Arktis-Klimasimulationen dar und können zu großen Unsicherheiten und Abweichungen in den Simulationen führen. Um mögliche Schwächen der Klimamodelle zu erkennen und unser Vertrauen in zukünftige Prognosen des Arktischen Klimas zu verbessern, ist eine gründliche Bewertung historischer Klimamodellsimulationen im Vergleich zu Beobachtungen erforderlich.
Wir konzentrieren uns hier auf die 6. Generation von Modellen aus dem Coupled Model Intercomparison Project (CMIP6), ein Projekt, das vom World Climate Research Program (WCRP) initiiert wurde, um die Zusammenarbeit zu fördern und die Robustheit von Klimaprojektionen sicherzustellen. Diese Modelle bieten die bisher umfassendste und genaueste Beschreibung des gegenwärtigen und zukünftigen Klimas und seiner Teilsysteme auf globaler Skala an.
Wissenschaftlicher Hintergrund
Der vertikal integrierte Energiehaushalt umfasst vertikale Energieflüsse an der Oberfläche (FS) und an der Oberseite der Atmosphäre (RadTOA), laterale Transporte von Wärme in Atmosphäre (FA), Ozean (FO) und Meereis (FI) sowie Änderungen in der Energiespeicherung in der Atmosphäre (AET), im Ozean (OHCT) und Meereis (MET), wie in Abbildung 2 gezeigt. Während des Großteils des Jahres verliert die Arktis Energie zum Weltraum, wobei kontinuierliche polwärts gerichtete Wärmetransporte durch Atmosphäre und Ozean dieses Strahlungsungleichgewicht ausgleichen. Da die Flüsse stark von der Sonneneinstrahlung abhängen, weisen sie ausgeprägte Jahreszyklen auf.
Aufgrund verschiedener Rückkopplungsmechanismen sind die Auswirkungen der globalen Erwärmung in der Arktis besonders stark ausgeprägt, wobei die Oberfläche etwa 2-4 mal schneller erwärmt wird als global (Arktische Verstärkung genannt). Robuste Schätzungen des arktischen Energiehaushaltes aus Beobachtungen (wie von Mayer et al. 2019 bereitgestellt) sind entscheidend, um diesen deutlichen Erwärmungstrend zu verstehen und mögliche zukünftige Veränderungen vorherzusagen.
Um zuverlässige Prognosen für die zukünftige Veränderung zu liefern und unser Verständnis der zugrunde liegenden Prozesse zu verbessern, müssen Klimamodelle die komplexen Wechselwirkungen im arktischen Energiehaushalt realistisch erfassen.
Abbildung 2: Schema des arktischen Energiehaushaltes, adaptiert von Mayer et al. (2019). Die Größe der Pfeile ist skaliert nach der Größe der jeweiligen Variable.
Energiehaushalt in CMIP6
Die Ergebnisse unserer neuen Studie zeigen, dass die Modelle zwar in einigen Aspekten vernünftige Ergebnisse liefern, aber in bestimmten wichtigen Komponenten des Energiehaushaltes auch systematische Fehler aufweisen. Alle CMIP6-Modelle unterschätzen konsistent die nach oben gerichteten Energieflüsse an der arktischen Oberfläche (FS), wie aus Abbildung 3 ersichtlich ist. Die Unterschiede sind besonders groß in den Nordmeeren, wo das Mittel aus den CMIP6 Modellen einen um 30 % niedrigeren netto Fluss im Vergleich zu Schätzungen aus Beobachtungen (REF) zeigt. Abweichungen in FS über der zentralen Arktis sind gering, aber erhebliche Diskrepanzen sind in der Nähe der Meereiskante zwischen Grönland und Spitzbergen, der Barentssee und der Norwegischen See zu beobachten. Die Positionierung der Meereiskante variiert zwischen den CMIP6-Modellen, wobei die Modelle im Allgemeinen dazu neigen, die Fläche von offenem Wasser zu unterschätzen, was wiederum zu kleineren ausgehenden netto Energieflüssen führt. Neben dem Meereis hat auch die Wassertemperatur erhebliche Auswirkungen auf die vertikalen Energieflüsse.
Abbildung 3: Energieflüsse an der Oberfläche aus Beobachtungen (REF, links) und deren Differenz zum CMIP6 Mittel (rechts). Die Flüsse werden positiv von Atmosphäre zum Ozean gezählt.
Der Verlust von Energie zum Weltraum über der Arktis wird durch polwärtige Wärmetransporte in Atmosphäre und Ozean ausgeglichen. Die CMIP6-Modelle zeigen eine große Bandbreite simulierter ozeanischer Wärmetransporte (Abbildung 4, y-Achse) und neigen dazu, den Einfluss an Energie in die Arktis zu unterschätzen. Diese Abweichungen werden hauptsächlich durch Fehler in der Zufuhr von Atlantikwasser über den Norwegischen Küstenstrom und niedrigere Temperaturen in der Barentssee verursacht. Wärmetransporte und darin enthaltene Abweichungen haben erhebliche Auswirkungen auf den Zustand und Veränderungen im arktischen Klimasystem. Wärmetransporten sind mit der Meereisausdehnung (Abbildung 4, links) sowie den Ozeantemperaturen und deren Veränderungen (Abbildung 4, rechts) gekoppelt und jegliche Abweichungen übertragen sich durch vertikale Oberflächenflüsse anschließend auch in die Atmosphäre. Die Auswirkungen von Wärmetransporten auf andere Komponenten des Arktissystems zeigen die Relevanz die Quellen möglicher Fehler und Abweichungen zu identifizieren. Die Klimamodelle, die am stärksten von den beobachteten Zuständen und Transporten abweichen, neigen dazu die Unsicherheit der Prognosen zu überschätzen und sollten daher aus den Ensembles von Klimaprojektion, wie etwa vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) verwendet, ausgeschlossen werden.
Abbildung 4: Zusammenhang zwischen ozeanischen Wärmetransporten (OHT) und Meereis (links) sowie der Erwärmungsrate des Ozeans (rechts). Bunte Symbole zeigen die einzelnen CMIP6 Modelle.
Fazit
Die genaue Darstellung der komplexen Prozesse in der Arktis in Klimamodellen ist entscheidend um zuverlässige zukünftige Prognosen der Klimaveränderungen in der Arktis stellen zu können. Dennoch zeigen die Klimamodelle systematische Fehler in einigen wichtigen Komponenten des Energiehaushaltes, welche wahrscheinlich auch für die Klimasensitivität (Menge der Erwärmung in Verbindung mit dem Anstieg von atmosphärischem CO2) relevant sind. Daher schlagen wir vor, zusätzlich zu grundlegenden Zustandsgrößen auch ozeanische Transporte als Qualitätsmetriken bei der Modellauswahl einzubeziehen. Solche auf Prozessen basierenden Metriken könnten die zukünftigen Modellprognosen besser einschränken und damit die Unsicherheit zukünftigen Prognosen des Arktiswandels reduzieren.
Medieninformation
Verfasst von Susanna Winkelbauer.
Layout und Satz durch das APRI-Medien Team.
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Über die wissenschaftliche Autorin
Susanna Winkelbauer ist Doktorandin an der Universität Wien und Mitglied der APRI Forschungsgruppe Haimberger
Leopold Haimberger, Universität Wien
Michael Mayer, Universität Wien
Link zur Originalpublikation: https://doi.org/10.1007/s00382-024-07105-5